Warum müssen Studierende Studiengebühren für das Wintersemester schon im Sommer zahlen?
Kleine Anfrage mit Antwort
Wortlaut der Kleinen Anfrage
der Abgeordneten Dr. Gabriele Andretta, Daniela Krause-Behrens, Dr. Silke Lesemann, Matthias Möhle, Jutta Rübke, Stefan Schostok, Wolfgang Wulf, Marcus Bosse (SPD), eingegangen am 11.07.2008
Warum müssen Studierende Studiengebühren für das Wintersemester schon im Sommer zahlen?
Studiengebühren stellen für viele Studierende eine hohe finanzielle Belastung dar. Insbesondere Studierende, die keine finanzkräftigen Eltern haben und den Weg in die Schuldenfalle scheuen, sind oft auf Ferienjobs angewiesen, um die fälligen Gebühren aufzubringen. In der Regel werden die Studiengebühren für das kommende Semester mit der Rückmeldung fällig. Da z. B. an den Universitäten Hannover und Göttingen die Rückmeldung für das WS 2008/2009 schon mit Fristsetzung zum 30. Juni 2008 erfolgte, mussten die Studierenden bereits Monate vor Studienbeginn die Studiengebühren zahlen.
Da die gemäß § 11 NHG mit den Gebühren zu finanzierenden Leistungen zur Verbesserung der Lehre erst mit Beginn des Wintersemesters erbracht werden, entsteht den Hochschulen ein Zinsgewinn für die Monate Juli, August und September. Studierende werden so gezwungen, einen zinslosen Kredit zu gewähren, ungeachtet der sozialen Lage der Studierenden. Da den Studierenden gleichzeitig die Möglichkeit genommen wird, sich während der vorlesungsfreien Zeit das Geld für die Zahlung der Studiengebühren zu verdienen, führt das Vorgehen der Hochschulen zu sozialen Härten.
Wir fragen die Landesregierung:
1. Zu welchem Zeitpunkt werden die Studiengebühren jeweils zum Sommersemester und Wintersemester fällig, aufgeschlüsselt nach den einzelnen Hochschulen?
2. Wie bewertet die Landesregierung die Praxis der Hochschulen, die Studiengebühren bereits Monate im Voraus zu kassieren?
3. Wie hoch schätzt die Landesregierung den jeweiligen Zinsgewinn der Hochschulen ein?
4. Werden die Zinsgewinne als Erträge gemäß § 11 Abs. 2 NHG den Einnahmen aus Studiengebühren zugeführt?
5. Erfolgt die Zahlung der Studiendarlehen durch die NBank rechtzeitig zur Fälligkeit bei Rückmeldung?
6. Wie hat sich die Zahl der Beurlaubungen seit 2003 entwickelt, aufgeschlüsselt nach den einzelnen Hochschulen?
7. Was wird die Landesregierung tun, um die durch die Gebühreneinzugspraxis der Hochschulen entstehenden sozialen Härten abzufedern?
(An die Staatskanzlei übersandt am 17.07.2008 - II/726 - 84)
Antwort der Landesregierung
Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur - M – 01 420-5/84 - Hannover, den 15.08.2008
Die sozialverträgliche Einführung und Erhebung von Studienbeiträgen in Niedersachsen nach § 11 Abs. 1 NHG ist für sämtliche Zeiträume der Regelstudienzeit zuzüglich vier weiterer Semester vorgesehen, sofern die oder der Studierende nicht nach § 11 Abs. 3 NHG von der Studienbeitragspflicht befreit oder ihm oder ihr nach § 14 Abs. 2 NHG aufgrund einer besonderen Härte die Zahlung der Studienbeiträge erlassen worden ist. Die Einführung ist auf das Ziel gerichtet, die Lehr- und Studienbedingungen im Interesse der Studierenden und damit deren Berufsaussichten zu verbessern.
Dabei ist die Beteiligung der Studierenden an den Kosten ihrer Ausbildung international üblich. So werden in Europa z. B. in Großbritannien, in den Niederlanden, in der Schweiz und in Österreich Studienbeiträge erhoben. In den USA, in Kanada, Australien und Japan sind Studienbeiträge ebenfalls selbstverständlich.
Studienbeiträge sorgen für soziale Ausgewogenheit in der Bildungsfinanzierung. Derzeit finanziert die Gesamtheit der Steuerzahler den Hochschulabsolventinnen und -absolventen in der Regel persönliche Vorteile. Dazu gehört vor allem ein geringeres Risiko im Hinblick auf Arbeitslosigkeit, denn die Arbeitslosenquote von Hochschulabsolventinnen und -absolventen liegt seit Jahren unterhalb der Hälfte der allgemeinen Arbeitslosenquote. Grundsätzlich ist ein erfolgreiches Hochschulstudium eine gute Investition in die eigene Zukunft. Hochschulabsolventinnen und -absolventen erzielen im Durchschnitt ein höheres Einkommen, wenn sie das Studium zügig abgeschlossen haben, in der Regel auch ein höheres Lebenseinkommen. Sie haben ferner bessere berufliche Entwicklungsmöglichkeiten. Ihre Beteiligung an den Kosten des Studiums ist daher auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit.
Dies vorausgeschickt werden die Fragen an die Landesregierung wie folgt beantwortet:
Zu 1: Gemäß § 14 Abs. 1 NHG werden der Studienbeitrag nach § 11, der Verwaltungskostenbeitrag nach § 12, die Langzeitstudiengebühren nach § 13 Abs. 1 sowie die Gebühren und Entgelte nach § 13 Abs. 3 erstmals bei der Einschreibung fällig und dann jeweils mit Ablauf der durch die Hochschule festgelegten Rückmeldefrist. Die Rückmeldefristen werden durch die Hochschulen über die jeweiligen Immatrikulationsordnungen geregelt und stellen sich im Vergleich wie folgt dar:
Diese Frage kann erst beantwortet werden, wenn die Empfehlungen der Strukturkommission vorliegen und ausgewertet sind. Die Kommission ist gebeten worden, noch im Herbst ihre Empfehlungen abzugeben.
Hochschule | Rückmeldefrist SS 08 | Rückmeldefrist WS 08/09 | Anmerkungen |
---|---|---|---|
TU Braunschweig | bis 01.02. | bis 01.08. | |
TU Clausthal | 19.01. bis 16.02. | 28.06. bis 26.07. | Rückmeldung hat innerhalb der letzten drei Wochen der Vorlesungszeit des laufenden Semesters, spätestens 1 Woche nach Ende der Vorlesungszeit zu erfolgen; Vorlesungszeit beschließt das Präsidium |
Leibniz Universität Hannover | 19.01. bis 02.02. | 05.07. bis 19.07. | Rückmeldung innerhalb der letzten 2 Wochen der Vorlesungszeit des vorangegangenen Semesters |
MHH | 15.03. bis 20.03. | 15.07. bis 20.07. | |
Uni Oldenburg | 01.02. bis 28.02. | 01.07. bis 31.07. | |
Uni Osnabrück | 01.02. bis 28.02. | 01.07. bis 31.07. | |
HBK Braunschweig | 04.02. bis 22.02. | 07.07. bis 25.07. | Rückmeldefrist richtet sich nach dem Ende der Lehrveranstaltungen in den jeweiligen Semestern; sie beginnt mit der letzten Woche der Lehrveranstaltungen und beträgt insgesamt 3 Wochen |
HMT Hannover | bis 01.02. | bis 15.06. | |
HS Vechta | 14.01. bis 02.02. | 07. bis 26.07. | |
FH Braunschweig/ Wolfenbüttel | 15.01. bis 31.01. | 25.06. bis 10.07. | Regelmäßig in den letzten 2 Vorlesungswochen des ablaufenden Semesters |
FH Hannover | 17.01. bis 31.01. | 26.06. bis 10.07. | Rückmeldung innerhalb der letzten 2 Wochen der Vorlesungszeit des vorangegangenen Semesters |
HAWK Hildesheim | 10.12. bis 10.01. | 10.06. bis 10.07. | |
FH Oldenburg, Ostfriesland/ Wilhelmshaven | 15.12. bis 05.01. | 15.06. bis 30.06. | |
Uni Göttingen | 01.01. bis 31.01. | 01.06. bis 30.06. | |
TiHo Hannover | bis 15.03 | bis 01.09. | |
Uni Hildesheim | bis 08.02. | bis 11.07. | Rückmeldefrist beinhaltet die letzten 4 Wochen der Vorlesungszeit des vorangegangenen Semesters |
Uni Lüneburg | bis 01.01. | bis. 04.07. | Fristen orientieren sich an dem Ende der Vorlesungszeit und werden immer neu festgelegt |
FH Osnabrück | bis 15.01 | bis. 15.07. |
Zu 2, 3 und 4: Studierende, die Leistungen der Hochschule nachfragen, müssen nach § 19 NHG eingeschrieben sein. Dies geschieht - wie allgemein bekannt - für das folgende Semester bereits eingeschriebener Studierender durch das sogenannte Rückmeldeverfahren. Die Immatrikulation wie auch die Rückmeldung der Studierenden setzt nach § 19 Abs. 4 Satz 2 NHG die Zahlung der fälligen Abgaben und Entgelte, dazu gehören insbesondere die Studienbeiträge, voraus. Mit dieser Vorschrift wird erreicht, das Immatrikulations- und das Rückmeldeverfahren möglichst ökonomisch zu gestalten, um den Verwaltungs- und damit Kostenaufwand der Hochschulen bei diesem Massenverfahren so gering wie möglich zu halten.
Im Interesse eines einheitlichen Vorgehens bei den niedersächsischen Hochschulen in staatlicher Verantwortung und zur Herstellung einer größtmöglichen Rechtssicherheit sowohl für die Hochschulen als auch für die Studierenden setzen die Hochschulen in eigener Zuständigkeit mit der Versendung der Rückmeldeunterlagen regelmäßig eine Frist zur Zahlung des Studienbeitrags und des sogenannte Semesterbeitrags. Wenn die oder der Studierende bis zum Ablauf dieser Frist den Studienbeitrag nicht an die Hochschule zahlt, ist sie oder er nach § 19 Abs. 5 Satz 3 NHG unter Setzung einer weiteren angemessenen Frist zu mahnen und gleichzeitig darüber in Kenntnis zu setzen, dass die Exmatrikulation nach § 19 Abs. 5 Satz 3 NHG im Fall der Nichtzahlung innerhalb der gesetzten Frist kraft Gesetzes eintritt. Die Statusfrage des Studierenden ist darüber hinaus z. B. auch im Hinblick auf die Kindergeldkasse, das Unterhaltsvorschussgesetz etc. verbindlich bis zum jeweiligen Semesterbeginn festzustellen. Da die Ersteinschreibung und auch die Rückmeldung zwingend mit der Zahlung der Studienbeiträge verbunden sind und verbunden werden müssen, ist eine Veränderung im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erhebung der Studienbeiträge bzw. eine grundsätzliche Verfahrensänderung auch im Hinblick auf ein gegebenenfalls notwendiges Mahnverfahren nicht angezeigt. Eine Zinserzielungsabsicht ist damit nicht verbunden. Von einer Schätzung wird Abstand genommen. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 NHG dürfen die Einnahmen aus Studienbeiträgen bis zu einer zweckentsprechenden Verwendung durch die Hochschulen bei einer Bank oder Sparkasse in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union Zins bringend angelegt werden. Nach § 11 Abs. 2 Satz 3 NHG hat die Hochschule die Erträge aus einer Anlage den Einnahmen aus Studienbeiträgen zuzuführen. Sie stehen damit zur Verbesserung der Lehr- und Studienbedingungen zur Verfügung.
Zu 5: Ja, nach Ziffer 2.2.3 des Vertrages über die Gewährung von Studienbeitragsdarlehen in Niedersachsen erfolgt die Auszahlung grundsätzlich am 1. Juni bzw. 1. Dezember unbar in Höhe des zu zahlenden Studienbeitrags an die jeweilige Hochschule. In Einzelfällen, insbesondere wenn sich die Darlehensnehmerin oder der Darlehensnehmer verspätet immatrikuliert bzw. rückmeldet, können Zahlungen auch zu späteren Zeitpunkten erfolgen.
Zu 6: Die Daten zur Beantwortung der Frage „Entwicklung der Zahl der Beurlaubungen“ wurden der Auswertung der ICE-Datenbank entnommen. Für das WS 07/08 liegen noch keine Daten im ICE-System vor. Eine wesentliche Veränderung in der Anzahl der Beurlaubungen ist seit dem Jahr 2003 nicht zu verzeichnen. verzeichnen.
WS 03/04 | WS 04/05 | WS 05/06 | WS 06/07 | |
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TU Braunschweig | 297 | 309 | 317 | 221 |
TU Clausthal | 68 | 94 | 116 | 144 |
Leibniz Universität Hannover | 1227 | 1228 | 1167 | 1378 |
MHH | 23 | 32 | 25 | 23 |
Uni Oldenburg | 862 | 861 | 1003 | 1100 |
Uni Osnabrück | 990 | 863 | 885 | 1005 |
HBK Braunschweig | 61 | 50 | 62 | 51 |
HMT Hannover | 77 | 67 | 73 | 63 |
HS Vechta | 50 | 41 | 64 | 71 |
Braunschweig/ Wolfenbüttel | 89 | 100 | 96 | 132 |
FH Hannover | 137 | 117 | 124 | 122 |
HAWK Hildesheim | 97 | 126 | 112 | 96 |
FH Oldenburg, Ostfriesland/Wilhelmshaven | 101 | 131 | 123 | 113 |
Uni Göttingen | 994 | 933 | 927 | 789 |
TiHo Hannover | 93 | 66 | 92 | 48 |
Uni Hildesheim | 429 | 412 | 368 | 270 |
Zu 7: Durch die Gebühreneinzugspraxis sind soziale Härten nicht zu verzeichnen. Zur grundsätzlichen sozialen Abfederung der Einführung von Studienbeiträgen hat das Land das Förderprogramm „Studienbeitragsdarlehen“ aufgelegt und damit sichergestellt, dass fast alle Studienbeitragspflichtigen zur Finanzierung der Studienbeiträge ein zinsgünstiges Darlehen beantragen können. Diese Darlehen werden frühestens zwei Jahre nach Ende des Studiums und nur bei hinreichendem Einkommen der Darlehensnehmerin/des Darlehensnehmers zurückgefordert (hier gilt die für die Rückzahlung von BAföG-Darlehen nach § 18 a Abs. 1 BAföG geltende Einkommensgrenze zuzüglich 100 Euro). Die Rückzahlung des Studienbeitragdarlehens entfällt, soweit das Studienbeitragsdarlehen einschließlich Zinsen zusammen mit Verpflichtungen aus in Anspruch genommenen Darlehen nach § 17 Abs. 2 Satz 1 BAföG 15 000 Euro (sogenannte BAföG-Kappung) überschreitet.
Auf der Grundlage der Koalitionsvereinbarung für die 16. Wahlperiode wird derzeit ein erweitertes Stipendien- und Förderangebot erarbeitet, um damit insbesondere besonders Begabte zu fördern, herausragendes ehrenamtliches Engagement zu berücksichtigen sowie die finanzielle Situation kinderreicher Familien mit besonderen Problemlagen zu verbessern. Die Entwicklung der erweiternden Stipendien- und Förderangebote ist noch nicht abgeschlossen. Die Hochschulen werden in diesen Prozess einbezogen.
Stipendien an Studierende nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 NHG, die aufgrund besonderer Leistungen und herausgehobener Befähigungen sowie zur Förderung der internationalen Zusammenarbeit im Hochschulbereich vergeben werden, können nach § 11 Abs. 1 Satz 5 2. Halbsatz NHG mit Einnahmen aus Studienbeiträgen finanziert werden. Hieran soll auch bei einer Ausweitung der Stipendientatbestände festgehalten werden.
In Vertretung des Staatssekretärs Heiko Gevers