Kleine Anfrage zur mündlichen Beantwortung

Zahl der Studienberechtigten in Niedersachsen sinkt

Abgeordnete Dr. Gabriele Andretta, Daniela Behrens, Dr. Silke Lesemann, Matthias Möhle, Jutta Rübke, Stefan Schostok und Wolfgang Wulf (SPD)

Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, haben im Jahr 2008 rund 441 700 Schülerinnen und Schüler in Deutschland die Hochschul oder Fachhochschulreife erworben; das sind 1,7 % (+ 7 200) mehr als im Vorjahr.

Aufgrund der Verkürzung der Gymnasialzeit auf acht Jahre erwarben in Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2008 zwei Schuljahrgänge die Hochschulreife. Dies führte dort zu einer starken Zunahme der Zahl der Studienberechtigten von 56,7 %. Dem steht in Sachsen-Anhalt ein Rückgang von 37,4 % gegenüber. Dort waren bereits im Jahr 2007 zwei Schuljahrgänge aufgrund der Verkürzung der Schulzeit aus den Gymnasien entlassen worden.

In den Ländern, die keine Veränderung der Schulzeit im Jahr 2008 hatten, lag die Zahl der Studienberechtigten um 2,3 % (+ 9 500) über derjenigen des Vorjahres. Während in allen westdeutschen Ländern die Studienberechtigtenzahlen deutlich anstiegen (Rheinland-Pfalz + 6,8 %, Hamburg + 6,6 % und Bremen + 4,5 %), hat Niedersachsen einen starken Rückgang von - 5,3 % zu verzeichnen.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie viele der Studienberechtigten mit Fachhochschul-, allgemeiner und fachgebundener Hochschulreife haben ihren Abschluss in Niedersachsen, differenziert nach allgemeinbildenden Schulen und berufsbildenden Schulen, erworben?

2. Wie erklärt die Landesregierung, dass Niedersachsen als einziges westdeutsches Bundesland einen Rückgang der Zahl der Studienberechtigten zu verzeichnen hat?

3. Wie bewertet sie angesichts des bevorstehenden Akademikermangels den Rückgang der Studienberechtigtenzahl, und welche Maßnahmen wird sie ergreifen, um die Zahl der Absolventinnen und Absolventen mit Hochschulreife zu steigern?

Antwort der Landesregierung:

Sie alle kennen den Satz: „Zahlen lügen nicht.“ Ich möchte gern einen zweiten Satz ergänzen: „Die Bewertung der Aussagekraft einer Zahl bedarf einer sorgfältigen Analyse der Rechenmethode und des jeweiligen Kontextes.“

Ziel der Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes ist die Information über die absoluten Zahlen der Studienberechtigten. Diese haben eine Relevanz für das notwendige Angebot an Studien- und Ausbildungsplätzen. Weiterhin zeigen sie demografische Herausforderungen auf. Hierzu gehört beispielsweise die Bewältigung doppelter Abiturientenjahrgänge. Je größer die Veränderungen absolut und relativ sind, desto größer sind die Herausforderungen. Weiterhin lassen die angegebenen Zahlen vorsichtige Rückschlüsse auf die Bevölkerungsentwicklung in den einzelnen Bundesländern zu.

Die in der Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes angegebenen Zahlen ermöglichen jedoch keine Aussage über die Wirkung und den Erfolg bestimmter Bildungsangebote, weil dafür der Vergleich mit dem gesamten Altersjahrgang erforderlich ist. Wird er vernachlässigt, so weist ein Land mit Bevölkerungswachstum bei gleicher Übergangsquote auf die verschiedenen Schulformen und bei gleicher Erfolgsquote bezüglich der verschiedenen Abschlüsse einen Zuwachs bei der Zahl der Studienberechtigten aus, während ein Land mit Bevölkerungsrückgang scheinbar eine Abnahme im Bildungserfolg zu verzeichnen hat.

Für die Berichterstattung durch die Kultusministerkonferenz ist daher seit Jahren festgelegt, dass die absolute Zahl der Studienberechtigten in Relation zu dem jeweiligen durchschnittlichen Altersjahrgang der 18- bis unter 21-Jährigen zu setzen ist. Danach haben in Niedersachsen im Jahr 2007 insgesamt 42,7 % die Hochschul- oder Fachhochschulreife erworben, im Jahr 2008 waren es 40,1 %. Der Anteil am Altersjahrgang ist in Niedersachsen somit nach dem Rechenmodus der KMK um 2,6 % zurückgegangen.

Jedoch darf auch diese Zahl nicht überbewertet werden. Nimmt man als Bezugsgröße lediglich den Altersjahrgang der 18- bis unter 19-Jährigen, der den stärksten Anteil eines Abiturjahrgangs ausmacht, so ergibt sich für 2007 ein Anteil von 41,5 % und für 2008 ein Anteil von 40,2 %, also eine Differenz von nur 1,3 %. Schwankungen der rechnerischen Anteile sind selbst bei gleichen Übergangs- und Erfolgsquoten grundsätzlich nicht zu vermeiden, da die Altersjahrgänge unterschiedlich stark sind.

Weiterhin möchte ich hervorheben, dass bei der Bewertung der Anstrengungen bezüglich der Erhöhung der allgemeinen Studierfähigkeit eine lediglich auf den Schulabschluss bezogene Betrachtung nicht ausreicht. Die über das Niedersächsische Hochschulgesetz eröffneten Zugänge für beruflich Qualifizierte sind ebenfalls von Bedeutung. Obwohl Niedersachsen auf diesem Gebiet bereits führend ist, wird die Landesregierung in diesem Jahr eine Novelle des Hochschulgesetzes auf den Weg bringen, um den Hochschulzugang noch weiter zu erleichtern. Ziel ist es, die Verzahnung von beruflicher Bildung und Hochschulbildung weiter zu steigern und somit durch weitere Ausschöpfung der Bildungsreserve die Studierquote zu erhöhen.

Im Ergebnis kann festgestellt werden, dass für das Jahr 2008 lediglich eine kleine Verringerung des Anteils der Studienberechtigten zu verzeichnen ist. Für das Jahr 2009 wird aufgrund der Schülerinnen und Schüler in den aktuellen Abschlussjahrgängen jedoch wieder ein absoluter Anstieg von 3 054 Studienberechtigten und nach KMK-Festlegung für die Berechnung ein Anstieg von 2,6 % auf wieder 42,7 % wie im Jahr 2007 erwartet. Das Statistische Bundesamt würde übrigens für Niedersachsen nunmehr einen Anstieg von 8,1 % mitteilen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt:

Zu 1: In Niedersachsen haben im Jahr 2008 22 131 Schülerinnen und Schüler an allgemeinbildenden Schulen und 15 365 Schülerinnen und Schüler an berufsbildenden Schulen die Studienberechtigung erworben.

Zu 2: Ein valider Vergleich der Entwicklung der Zahl der Studienberechtigten zwischen den Bundesländern ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich, da in der Pressemeldung des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2008 die vorläufigen Prognosedaten für die Zahl der Studienberechtigten verwendet werden und die Veränderung der Zahl der Studienberechtigten relativ zur Stärke des Alterjahrgangs in dem jeweiligen Bundesland zu betrachten ist. Die Meldung der erforderlichen Zahlenbasis erfolgt bis Ende des Jahres von den Bundesländern an die KMK.

Zu 3: Nach den derzeit vorliegenden Zahlen handelt es sich um einen einmaligen Effekt. In den Jahren 2003 bis 2007 ist die Zahl der Studienberechtigten kontinuierlich gestiegen. Für 2009 wird wieder ein deutlicher Anstieg nicht nur absolut, sondern auch prozentual zum Altersjahrgang erwartet. Die Gesamtanzahl der Studienberechtigten in Niedersachsen wird voraussichtlich höher sein als je zuvor. Daher bedarf es derzeit keiner Maßnahmen.