Kleine Anfrage mit Antwort

der Abgeordneten Heinrich Aller, Wolfgang Jüttner, Marco Brunotte, Dr. Silke Lesemann, Sigrid Leuschner, Stefan Politze, Stefan Schostok (SPD), eingegangen am 26.06.2008

Wortlaut der Kleinen Anfrage

Planung, Finanzierung, Ausbau des Stichkanals zwischen Seelze/Lohnde und dem Lindener Hafen, Hannover - Auswirkungen auf wichtige Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur im Zusammenhang mit dem Kanalausbau

Über den Stand der Planungen, die Finanzierung und den Ausbau des Stichkanals zwischen Seelze/Lohnde und dem Lindener Hafen, Hannover, wird uneinheitlich informiert und in den Medien widersprüchlich berichtet. So wird z. B. im März und April Thilo Wachholz von der WSV in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) mit einer Aussage erwähnt, nach der das Planfeststellungsverfahren für den Kanalausbau im Sommer 2009 abgeschlossen werde. Dagegen stehen Informationen des Bürgermeisters der Stadt Seelze, der unter Berufung auf dieselbe Behörde einen Planfeststellungsbeginn auf frühestens 2012 datiert. Die Stadt Hannover - so eine Informationsdrucksache im Rat - drängt auf einen zügigen Ausbau des Stichkanals. „Das Projekt sei wirtschaftlich unumgänglich“, habe die Verwaltung laut HAZ vom 7. Juni 2008 klargestellt. „Der Ausbau des Hafens als solcher ist aus Sicht der Stadt nicht infrage zu stellen.“

Die Aussagen amtlicher Stellen über Art, Umfang, Zeitplan und Konsequenzen für Anrainer im Zusammenhang mit dem Ausbau des Stichkanals Linden und dem Neubau der Schleuse Limmer haben zu Irritationen geführt. Ohne Klarheit über das Projekt Stichkanal ist eine sinnvoll abgestimmte Investitionsplanung für die öffentliche Infrastruktur stark beeinträchtigt. Ein Beispiel dafür ist die Planung des Verlaufs der B 441 als Ortumgehung Seelze-Süd, die jetzt u. a. aus Kostengründen durch Mehrheitsbeschluss im Rat revidiert worden ist. Die Nichtverlegung der Bundesstraße wurde auch mit dem Argument gestützt, dass auf lange Sicht keine Veränderungen am Stichkanal vorgenommen würden, die Profil und Brückenbauwerke beträfen.

Der Zweigkanal führt auf einem längeren Abschnitt durch das Gebiet der Stadt Seelze. In den Stadtteilen Lohnde, Seelze und Letter queren Brücken die Wasserstraße, die zweifellos von Ausbaumaßnahmen betroffen wären. Ausbau- oder Sanierungsmaßnahmen führen unvermeidlich auch zu Eingriffen in die Randbereiche beiderseits des Kanals. Bei der künftigen Trassenführung und bei Aus- bzw. Umbauplänen der Bundesstraße 441 im Zusammenhang mit der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme Seelze-Süd haben in jüngster Zeit die voraussehbaren Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur eine zentrale Rolle gespielt.

Wiederholt ist mit Vertretern der Landesregierung über die Auswirkungen und Abhängigkeiten von jeweiligen Planungen und Investitionen gesprochen worden. Das gilt insbesondere für Straßen, Schienen und Schifffahrtsverkehrswege nördlich von Seelze-Süd. Hinweise auf den wirtschaftlichen Umgang mit Steuergeldern bei der Finanzierung von öffentlicher Infrastruktur beispielsweise bei Verknüpfungspunkten, Brückenbauten und Zukunftsinvestitionen fanden kein Gehör.

Das Argument, aktuelle Entscheidungen über Teilmaßnahmen planerisch und finanzwirtschaftlich sinnvoll aufeinander abzustimmen, wurde verworfen und offensichtlich nicht weiter geprüft. Landesseitig ist die Erschließung von Seelze-Süd jedoch unter der Voraussetzung einer Verlegung der B 441 als südliche Ortsumgehung als positiv und notwendig bewertet worden. Es muss davon ausgegangen werden, dass in diese Beurteilung auch die längerfristige überörtliche Verkehrsentwicklung auf Straße, Schiene und Kanal sowie Umweltgesichtspunkte Eingang gefunden haben.

Eine Optimierung der Investitionen im Zusammenhang mit dem Verkehrsband Bahn, Zweigkanal, B 441, Ortsdurchfahrten Gümmer, Lohnde, Seelze, Letter, Landes- und Kreisstraßen einschließlich der notwenigen Brückenbauwerke ist im Raum Seelze von zentraler Bedeutung für künftige Verkehrsströme in Ost-West-Richtung und Querungen in Nord-Süd-Richtung. Ein direkter Zusammenhang zwischen der künftigen Rolle des Stickkanals und zahlreichen weiteren Verkehrsinfrastrukturmaßnamen ist deshalb offenkundig. Auf eine Anfrage im Rat der Stadt Seelze ist dazu ausgeführt worden:

Zum Ranking gemäß Regierungsabkommen von 1965/1986:

1. „Derzeit genießt der Ausbau des Zweigkanals Linden in diesem Ranking keine vordere Priorität. Aus diesem Grund hat die Stadt Hannover mit Datum 23.03.2008 eine Informationsdrucksache versandt, welche ausführlich darlegt, weshalb die Stadt Hannover einen Ausbau des Zweigkanals Linden mit hoher Priorität voranbringen möchte.“

An anderer Stelle: 2. „Dass im Sommer 2009 das Planfeststellungsverfahren abgeschlossen sein soll, entspricht nicht den Aussagen der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung in der von der Stadt Hannover versandten Informationsvorlage. Danach rechnet die WSV unter Berücksichtigung des erwähnten Rankings mit einem Planfeststellungsbeginn frühestens für 2012. Damit wäre bei einer angenommenen Verfahrensdauer von rund vier Jahren ein Baubeginn nicht vor 2016 und eine Fertigstellung damit nicht vor 2022 (Bauzeit ca. sechs bis acht Jahre) zu erwarten.“

In allen bisher zugänglichen Informationen werden die Kosten für die Ausbaumaßnahme des Zweigkanals Linden auf 200 bis 250 Millionen Euro geschätzt. Diese Summe macht deutlich, wie notwendig unter dem Gesichtspunkt des wirtschaftlichen Einsatzes öffentlicher Mittel eine Abstimmung mit anderen Infrastrukturmitteln ist, die im direkten bzw. indirekten zeitlichen und fiskalischen Zusammenhang mit der Baumaßnahme Zweigkanal stehen.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie begründet sie die Tatsache, dass von der WSV offenkundig unterschiedliche Angaben über Beginn und Ende eines Planfeststellungsverfahrens für den Ausbau des Zweigkanals Linden gemacht werden?

2. Wie beurteilt sie Pläne der Landeshauptstadt Hannover, den Ausbau des Zweigkanals zu beschleunigen und im „Ranking“ eine höhere Priorität zu erlangen?

3. Unter welchen zeitlichen und maßnahmenbezogenen Voraussetzungen hält die Landesregierung im Sinne von wirtschaftlichem Umgang mit Steuermitteln eine Abstimmung von öffentlichen Investitionen in die regionale Verkehrsinfrastruktur für notwendig?

4. Wie beurteilt die Landesregierung die Notwendigkeit, anstehende Millioneninvestitionen in die öffentliche Verkehrsinfrastruktur - wie im Fall Kanal/B 441 - aufeinander abzustimmen, um Fehlinvestitionen zu vermeiden?

5. Welche Maßnahmen sieht sie im Falle eines Kanalausbaus, die wegen des engen Zusammenhangs von Verkehren eine Abstimmung von Bund, Land, Region und Städten bereits jetzt erforderlich machen?

6. Wird sie dafür Sorge tragen, dass anstehende (Teil-)Projekte - wie Straßenverknüpfungspunkte, Brückenbauwerke - in Art und Umfang auf die Kanalbaumaßnahme ausgerichtet werden?

7. Wie wird sich die Landesregierung in die laufenden Planungen einbringen und ggf. anstehende (Teil-)Projekte mitfinanzieren?

Antwort der Landesregierung

Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Z3-01424/0020/068 (45-30472-1.10) –

Der Ausbau des Stichkanals zwischen Seelze/Lohnde und dem Lindener Hafen, Hannover, liegt in der Zuständigkeit der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV). Derzeit ist der Ausbau des Kanals in der Priorität zu anderen Projekten eher nachrangig. Da der wirtschaftliche Nutzen der Maßnahme noch nicht ausreichend belegt ist, hat die Landeshauptstadt Hannover hierzu eine Nutzen-Kosten-Untersuchung in Auftrag gegeben. Das Ergebnis soll im Sommer 2008 vorliegen und auf dieser Basis wird nach den vorliegenden Informationen die WSV über das weitere Vorgehen voraussichtlich noch in diesem Jahr entscheiden.

Sofern dann eine Entscheidung zugunsten des Ausbaus getroffen worden ist, wird die WSV als Vorhabenträger mit den Vorplanungen beginnen. Dabei werden auch die Randbedingungen für die städtischen Planungen festgelegt, um für die Auswirkungen der Eingriffe in das Eigentum Dritter Planungssicherheit zu bekommen. Gleiches gilt auch für andere Maßnahmen Dritter, unabhängig von der Frage des tatsächlichen Baubeginns. Vor diesem Hintergrund würde im Jahr 2009 nicht die Planfeststellung, wie teilweise in den Medien berichtet, abgeschlossen, sondern frühestens mit den Erhebungen begonnen werden. Ein Beginn des Planfeststellungsverfahrens wäre dadurch erst im Jahr 2012 realistisch. Der tatsächliche Baubeginn hängt vom Verlauf des Planfeststellungsverfahrens und von den zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln ab.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Vermeintlich unterschiedliche Angaben der WSV zu Planungsständen gegenüber Dritten sind von der Landesregierung nicht zu bewerten.

Zu 2: Die Landesregierung hat sich in der Vergangenheit immer sowohl für einen zügigen Ausbau des Mittellandkanals als auch der Stichkanäle eingesetzt. Die niedersächsische Verkehrspolitik zielt darauf, die jeweiligen Stärken jedes Verkehrsträgers in optimaler Kombination zu nutzen. Für die See- und Binnenschifffahrt sowie die niedersächsischen Hafenstandorte erfordert das, den Ausbauzustand der Wasserstraßen und die Anbindungen der Häfen an Schiene und Straße zu optimieren. Unter Berücksichtigung des wasserseitigen Güterumschlags an den Stichkanälen, des baulichen Zustands der Kanäle, des erforderlichen Investitionsbedarfs und des Hafenkonzepts Niedersachsen genießt der Ausbau des Stichkanals Linden die niedrigste Priorität gegenüber anderen vergleichbaren Ausbauvorhaben.

Zu 3 bis 6: Die WSV führt als Vorhabensträger das Planfeststellungsverfahren für den Ausbau des Stichkanals durch. Im Verlauf des Planungsprozesses ist es unabdingbar, die notwendigen Abstimmungen mit den betroffenen Baulastträgern herbeizuführen. Sofern der Kanalausbau zusätzliche Maßnahmen erforderlich macht, z. B. eine geänderte Straßenanbindung, sind bei der Umsetzung die Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit einzuhalten.

Zu 7: Die betroffenen Baulastträger werden sich im Rahmen des Abstimmungsprozesses in die laufenden Planungen mit einbringen. Hinsichtlich einer Mitfinanzierung gelten die gesetzlichen Kostenteilungsregelungen.

Walter Hirche