Kleine Anfrage mit Antwort z. Th.: Studierende werden immer jünger - Ein Trend mit Rechtsfolgen?
Kleine Anfrage mit Antwort
Wortlaut der Kleinen Anfrage
der Abgeordneten Jutta Rübke, Dr. Gabriele Andretta, Daniela Behrens, Dr. Silke Lesemann, Matthias Möhle, Stefan Schostok und Wolfgang Wulf (SPD), eingegangen am 02.06.2009
Studierende werden immer jünger - Ein Trend mit Rechtsfolgen?
Es zeichnet sich ein gesellschaftlicher Trend ab: Studierende werden jünger. Es gibt eine Reihe von Entwicklungen, die den Start ins Studium biografisch vorverlegen. So werden mit der Einführung des G8 zunehmend mehr junge Menschen studieren, die bei Studienbeginn noch minderjährig sind. Zudem werden Schülerinnen und Schüler früher eingeschult. Auch die Verkürzung von Wehr- und Zivildienst um insgesamt ein halbes Jahr seit der Wiedervereinigung beschleunigt den Start ins Studium. Dazu kommt die laut Hochschulinformationssystem wieder deutlich nachlassende Neigung von Abiturienten, vor dem Studium eine Ausbildung zu absolvieren.
Wir fragen die Landesregierung:
1. Wie beurteilt die Landesregierung diesen Trend?
2. Welche rechtlichen Einschränkungen gelten für minderjährige Studierende aufgrund ihrer beschränkten Geschäftsfähigkeit, insbesondere bei der Immatrikulation und bei der Beantragung eines Studiendarlehens?
3. Haben minderjährige Studierende die gleichen Rechte und Pflichten in den Selbstverwaltungsgremien wie volljährige Studierende? Wenn nein, welche Unterschiede gibt es?
4. Wie sieht die Rechtsstellung von Eltern von minderjährigen Studierenden aus?
5. Haben diese Eltern Mitbestimmungsmöglichkeiten und Auskunftsrechte über Studienleistungen etc.? Wenn ja, wie gestalten sich diese? (An die Staatskanzlei übersandt am 04.06.2009 - II/721 - 340)
Antwort der Landesregierung
Nach der amtlichen Statistik lag der Anteil der Studienanfängerinnen und Studienanfänger, die jünger als 19 Jahre sind, in den letzten Jahren in Niedersachsen zwischen 0,9 und 1,6 %. Der Anteil derer, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, lag durchgängig bei 0,05 %. Zu Beginn des Wintersemesters 2007/2008 hatten in Niedersachsen 1,5 % der Studienanfängerinnen und Studienanfänger noch nicht das 19. Lebensjahr vollendet. Bei gleichbleibender Studierneigung kann infolge der Einführung des Abiturs nach zwölf Schuljahren von einem entsprechenden Anteil minderjähriger Studienanfängerinnen und Studienanfänger ausgegangen werden. Dies vorangestellt werden die Fragen namens der Landesregierung wie folgt beantwortet:
Zu 1: Die Landesregierung begrüßt es, wenn zukünftig mehr Studienanfängerinnen und Studienanfänger schon vor Erreichen der Volljährigkeit ein Hochschulstudium aufnehmen, da dies den im internationalen Vergleich erforderlichen früheren Eintritt in das Berufsleben erwarten lässt. Eine Verkürzung von Schul- und Ausbildungszeiten ist eines der erklärten Ziele der Landesregierung. Die hierfür erforderlichen Rahmenbedingungen wurden mit dem Kurswechsel in der Schulpolitik und der Umsetzung des Bologna-Prozesses im Hochschulbereich geschaffen.
Zu 2: Da die Immatrikulation auch pflichtenbegründend wirkt, bedürfen minderjährige Studierende aufgrund ihrer beschränkten Geschäftsfähigkeit nach § 107 BGB der Einwilligung ihrer gesetzlichen Vertreter, um ein Studium aufnehmen zu können. Zur Aufnahme eines Studienbeitragsdarlehens ist zudem gemäß §§ 1643 Abs. 1, 1822 Nr. 8 BGB die Zustimmung des Familiengerichts erforderlich.
Zu 3: Das Niedersächsische Hochschulgesetz (NHG) differenziert hinsichtlich des Rechts, an der Selbstverwaltung und der Erfüllung der Hochschulaufgaben in Organen und Gremien mitzuwirken, nicht zwischen volljährigen und minderjährigen Studierenden.
Zu 4: Die Rechtsstellung der Eltern minderjähriger Studierender weist im Vergleich zu der Rechtsstellung der Eltern anderer minderjähriger Kinder keine Besonderheiten auf.
Zu 5: Das NHG sieht keine studiengangsbezogenen Mitbestimmungsmöglichkeiten der Eltern vor. Aus dem Erziehungsrecht der Eltern (Artikel 6 Abs. 2 Satz 1 GG) folgt grundsätzlich ein Auskunftsanspruch der Eltern über die Studienleistungen minderjähriger Studierender. Dieser Anspruch ist einfachgesetzlich nicht näher ausgestaltet, da sich seine Reichweite unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalles nach dem schutzwürdigen Auskunftsinteresse der Eltern und dem Interesse der minderjährigen Studierenden bestimmt, welche in einer unmittelbaren Rechtsbeziehung zur Hochschule stehen. Diesem Spannungsverhältnis zwischen dem Erziehungsrecht der Eltern und der Grundrechtsmündigkeit der minderjährigen Studierenden trägt auch die Vorschrift des § 1626 Abs. 2 BGB Rechnung, wonach die Eltern bei der Pflege und Erziehung die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln berücksichtigen.
In der Praxis wird dieser Frage auch zukünftig keine Bedeutung zukommen, da davon auszugehen ist, dass von dem geringen Anteil der zu Studienbeginn noch minderjährigen Studierenden der weit überwiegende Teil zumindest während der ersten beiden Semester die Volljährigkeit erlangen wird.
In Vertretung Dr. Josef Lange
(Ausgegeben am 17.07.2009)