Kleine Anfrage mit Antwort z. Th. Lässt das Land seine Hochschulen weiter verrotten? Modernisierungs- und Sanierungsbedarf an den niedersächsischen Hochschulen
Kleine Anfrage mit Antwort
Wortlaut der Kleinen Anfrage
der Abgeordneten Dr. Gabriele Andretta, Daniela Krause-Behrens, Dr. Silke Lesemann, Matthias Möhle, Jutta Rübke, Stefan Schostok, Wolfgang Wulf (SPD), eingegangen am 18.06.2008
Lässt das Land seine Hochschulen weiter verrotten? Modernisierungs- und Sanierungsbedarf an den niedersächsischen Hochschulen
Der Landesrechnungshof hatte in 2004 den Zustand der landeseigenen Gebäude untersucht und darüber dem Landtag berichtet. Angesichts des schlechten Bauzustandes vieler Gebäude und der festgestellten massiven Schäden in der Bausubstanz hatte er damals dringend eine Erhöhung der Bauunterhaltungsmittel angemahnt. In seinem Jahresbericht 2005 wies der Landesrechnungshof erneut auf die katastrophalen baulichen Zustände landeseigener Gebäude, insbesondere an niedersächsischen Hochschulen, hin. Grundlage dieser Feststellung ist eine Bausubstanzprüfung, bei der die Gebäude und betriebstechnischen Anlagen in drei Universitäten und zwei Fachhochschulen überprüft wurden. An 108 von insgesamt 322 Gebäuden und Gebäudetrakten wurden 360 zum Teil erhebliche Bauschäden festgestellt, deren Beseitigung keinen weiteren Aufschub duldet.
Der Landesrechnungshof betrachtet die Entwicklung, für die Bauunterhaltung der Hochschulen nur in völlig unzureichendem Maße Mittel bereitzustellen, mit großer Sorge. Besonders bedenklich sei der inzwischen eingetretene Reparaturstau, der mit den bisher eingesetzten Mitteln und mit dem mittelfristig geplanten Mitteleinsatz weder abgebaut noch wirksam reduziert werden könne. Schadensausweitungen, erhöhter Haushaltsmittelbedarf sowie weitere Wert- und Nutzungsminderungen seien die Folgen.
Der Landesrechnungshof fordert eine erhebliche Aufstockung der Mittel für die Bauunterhaltung und die vollständige Erfassung und korrekte Klassifizierung des Reparaturbedarfs nach Dringlichkeit. Letztere sei bei begrenzten Mitteln für eine auf das Wesentliche gerichtete Bauunterhaltung unabdingbar.
Wir fragen die Landesregierung:
1. Wie haben sich die Mittel für Bauunterhaltung an den Hochschulen seit 2000 entwickelt?
2. Wie hoch schätzt die Landesregierung den Mittelbedarf, um den inzwischen eingetretenen Reparaturstau an den Hochschulen zu beseitigen?
3. Ist die vom Landesrechnungshof geforderte vollständige Erfassung und Klassifizierung des Reparaturbedarfs nach Dringlichkeit von der Landesregierung veranlasst worden und in der Zwischenzeit erfolgt?
a) Wenn ja, in welcher Höhe wurde Reparaturbedarf an den jeweiligen Hochschulen festgestellt, und wie sind die notwendigen Reparaturmaßnahmen nach Dringlichkeit geordnet?
b) Wenn nein, warum nicht?
4. Welche Summe muss aufgebracht werden, um allein die Schäden entsprechend der Dringlichkeitsstufen 1 und 2 der Baubedarfsnachweisungen zu beheben (gesamt und differenziert nach den einzelnen Hochschulen)?
5. In welcher Höhe stehen im Landeshaushalt Finanzmittel für die Bauunterhaltung zur Verfügung (gesamt und differenziert nach den einzelnen Hochschulen)?
6. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass mit den zur Verfügung stehenden Mitteln eine sachgerechte Bauunterhaltung möglich ist?
7. Sind der Landesregierung Fälle bekannt, in denen durch die Schäden an Gebäuden gesundheitliche Folgen für Personen entstanden sind? Wenn ja, welche?
8. In welcher Höhe ließen sich Energiekosten einsparen, wenn eine energetische Grundsanierung (Dämmungen bei Altbauten, Erneuerung verbrauchsintensiver alter Heizungsanlagen usw.) der Hochschulgebäude erfolgen würde?
Antwort der Landesregierung
Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur - M – 01 420-5/61 –
Die Landesregierung ist der Auffassung, dass eine erhebliche Aufstockung der Bauunterhaltungsmittel bei den Hochschulen dringend wünschenswert ist. Angesichts der gegenwärtigen haushaltswirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der verfassungsgemäß gebotenen Begrenzung der Neuverschuldung war es bislang nicht möglich, die für die Bauunterhaltung der Hochschulen als notwendig erachteten Ausgaben im Landeshaushalt bereitzustellen. Der Werterhalt der Bausubstanz kann daher seit geraumer Zeit nicht mehr in dem erforderlichen Umfange gewährleistet werden.
Dies vorangestellt, werden die Fragen namens der Landesregierung wie folgt beantwortet:
Zu 1: Die Entwicklung der Mittel für Bauunterhaltung an den Hochschulen seit 2000 ist in Anlage 1 dargestellt. Dabei kann das Jahr 2000 nur eingeschränkt als Vergleichsjahr herangezogen werden, weil ein Teil der Bauunterhaltungsmittel noch zentral im Einzelplan 20 veranschlagt war. Eine differenzierte Darstellung für 2000 ließe sich nur mit erheblichem Zeitaufwand (Durchsicht der Einzelakten) erstellen. Die Mittel für Bauunterhaltung sind von 24 Mio. Euro in 2001 auf 38 Mio. Euro im Jahr 2009 gestiegen, wobei davon rd. 5,3 Mio. Euro auf Mittel für Kleine Baumaßnahmen entfallen, die bis 2003 (3,3 Mio. Euro der Stiftungshochschulen) bzw. bis 2007 (2 Mio. Euro für die Hochschulen als Landesbetriebe) im Einzelplan 20 veranschlagt waren. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die Mipla 2008-2012 im Hinblick auf die auch die Bauunterhaltung betreffenden Preissteigerungen ab 2010 die Aufstockung des zentral veranschlagten Bauunterhaltungs-„Feuerwehrtopf“ für besondere Bauunterhaltungsmaßnahmen um 2,45 Mio. Euro vorsieht. Der „Feuerwehrtopf“ in Höhe von 5 Mio. Euro wurde von der Landesregierung vorgeschlagen, um auf Unvorhergesehenes reagieren zu können und existiert seit 2008.
Zu 2: Aus der letzten Bedarfsabfrage bei den Hochschulen zum Haushaltsplan 2006 resultiert ein Bauunterhaltungsbedarf von über 216 Mio. Euro (vgl. Anlage 2). Bei einer angenommenen Preissteigerung von ca. 8 % ergibt sich aus Sicht der Hochschulen ein Gesamtbedarf von rd. 233 Mio. Euro. 2 Niedersächsischer Landtag – 16. Wahlperiode Drucksache 16/370
Zu 3: Wie bereits in der Antwort der Landesregierung vom 14.12.2005 (Drs. 15/2492) im Rahmen der Entlastung der Haushaltsrechnung 2003 zum Thema „Unzureichende Mittel für Bauunterhaltung bei Hochschulen“ geschildert, ist die Erfassung und Klassifizierung des Mittelbedarfs zur Bauunterhaltung bereits erfolgt (vgl. Antwort zu 2 und Anlage 2). Auf eine jährlich neue Abfrage bei den Hochschulen ist angesichts des hohen Arbeitsaufwandes vor Ort und der unzureichenden finanziellen Möglichkeiten, den tatsächlichen Bedarf zu decken, verzichtet worden, um unnötigen Verwaltungsaufwand zu vermeiden.
Zu 4: Auf die Prioritäten 1 und 2 entfällt ein Bedarf von 132 Mio. Euro Bei Berücksichtigung einer 8%igen Preissteigerungsrate steigt dieser Betrag auf insgesamt rd. 143 Mio. Euro. Die Gesamtzahlen sowie die auf die einzelnen Hochschulen entfallenden Bedarfe sind in der Anlage 3 dargestellt.
Zu 5: Vergleiche hierzu die Angaben in Anlage 1.
Zu 6: Nein, der Werterhalt der Bausubstanz ist bei den derzeit zur Verfügung stehenden Mitteln nicht im erforderlichen Umfange möglich, zumal angesichts der unzureichenden Finanzierung des Hochschulbaus durch frühere Landesregierungen (bis 2003) in der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau die Kompensationsmittel für den Wegfall der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau nach Artikel 143 c GG deutlich unterhalb des Königsteiner Schlüssels liegen!
Zu 7: Derartige Fälle sind bislang nicht bekannt.
Zu 8: Der Gebäudebestand der Hochschulen ist von einer sehr heterogenen Struktur geprägt, die zum einen aus den vielfältigen Nutzungen und zum anderen aus den unterschiedlichen Gebäudekonstruktionen und Baujahren resultiert. Der Bestand reicht dabei von Büro- über Hörsaalgebäude, Institutsgebäude für Physik, Maschinenbau, Elektrotechnik, Laborgebäude für Chemie und Pharmazie bis hin zu Gebäuden für Human- und Tiermedizin etc. Darunter befinden sich neben hochwertigen denkmalgeschützten Gebäuden (Gründerzeitvillen, Schlösser etc.) eine Vielzahl von Gebäuden aus den 50er, 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts sowie Neubauten. Die vorgenannte Gebäudevielfalt lässt standardisierte energetische Sanierungsmaßnahmen mit der Angabe zugehöriger Einsparpotenziale, wie sie z. B. im Wohnungsbau durchaus möglich sind, nicht zu. Hier sind vielmehr individuell auf das einzelne Gebäude und die dort stattfindende Nutzung bezogene Planungen und Sanierungsmaßnahmen erforderlich. Eine pauschale Aussage zu einem möglichen Einsparpotenzial ist deshalb nicht möglich. Im Rahmen konkreter Planungen werden selbstverständlich mögliche Einsparpotenziale ermittelt. Beispielhaft ist hier die Umsetzung des EnergieSparInvestitionsProgramm des Landes zu nennen. Dabei werden u. a. in den Hochschulen (außer Stiftungshochschulen) energetische Sanierungsmaßnahmen in Höhe von ca. 6,0 Mio. Euro überwiegend im Bereich betriebstechnischer Anlagen durchgeführt. Die daraus resultierenden Energiekosteneinsparungen beziffern sich auf ca. 750 000 Euro pro Jahr.
In Vertretung Dr. Josef Lange