Kleine Anfrage mit Antwort

Wortlaut der Kleinen Anfrage

der Abgeordneten Dr. Gabriele Andretta, Daniela Krause-Behrens, Dr. Silke Lesemann, Matthias Möhle, Jutta Rübke, Stefan Schostok, Wolfgang Wulf (SPD), eingegangen am 10.10.2008

Chaos bei den Zulassungsverfahren durch Mehrfachbewerber auch an Niedersachsens Hochschulen? Mit Änderung des Hochschulzulassungsgesetzes wurde den Hochschulen die Freiheit gegeben, sich ihre Studierenden selbst aussuchen zu dürfen und dabei nicht ausschließlich nach der Abiturnote zu schauen. Die Zentralstelle zur Vergabe von Studienplätzen (ZVS) vergibt bundesweit nur noch Studienplätze für die Fächer Biologie, Medizin, Pharmazie, Psychologie, Tier- und Zahnmedizin. Für andere Fächer müssen sich die Studieninteressenten direkt an den einzelnen Hochschulen bewerben und sich dort einem Auswahlverfahren stellen. In Niedersachsen gibt es dabei bei mehr als zwei Dritteln aller Studiengänge Zulassungsbeschränkungen, wobei die Auswahlverfahren von Studiengang zu Studiengang und von Hochschule zu Hochschule variieren können (vgl. § 5 des Niedersächsischen Hochschulzulassungsgesetzes).

Die veränderte Praxis hat dazu geführt, dass sich Studieninteressierte bei mehreren Hochschulen um einen Studienplatz bewerben, um ihre Chancen zu verbessern. Die Hochschulen sehen sich deshalb bei der Zulassung zu Fächern, die einen Numerus Clausus haben, mit einer Rekordflut von Bewerbungen konfrontiert, die sie bewältigen müssen. Aufgrund der Mehrfachbewerbungen können die Hochschulen nur schätzen, wie viele der angenommenen Studienbewerber am Ende wirklich bei ihnen ein Studium beginnen. Wegen aufwendiger Nachrückverfahren erhalten viele Bewerber erst spät die Zusage. Oft bleiben deshalb Studienplätze frei, obwohl der Ansturm der Studienbewerber groß ist.

Der Bund will nun den Ländern mit dem Aufbau einer Serviceagentur helfen, die als zentrale Anlaufstelle für Bewerber dienen soll. Diese bundesweite Servicestelle soll aus der ZVS hervorgehen und in den kommenden fünf Jahren mit insgesamt 15 Mio. Euro vom Bund bezuschusst werden. Die Realisierung dieses Vorhabens wird aber davon abhängen, wie viele Hochschulen sich an der neuen Serviceagentur beteiligen werden.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie hoch ist in Niedersachsen die durchschnittliche Zahl der Bewerber pro Studienplatz im Sommersemester 2008 und Wintersemester 2008/2009, differenziert nach Hochschulen und Studiengängen mit örtlichem Numerus Clausus?

2. Wie lange dauert es im Durchschnitt an den Hochschulen, um die Zulassungsbescheide zu verschicken?

3. Gibt es auch an niedersächsischen Hochschulen die Praxis, Studiengänge zu „überbuchen“, d. h. mehr Bewerber zuzulassen, als Plätze vorhanden sind? a) Wenn ja, an welchen Hochschulen? b) Wie viele Zusagen werden durchschnittlich für jeden freien Studienplatz verschickt?

4. Wie viele Studienplätze (absolut und prozentual) mussten von den Hochschulen im Nachrückverfahren vergeben werden?

5. Wie viele Runden im Nachrückverfahren werden von den einzelnen Hochschulen in der Regel durchgeführt? Wie sind die Fristen?

6. Wie viel Studienplätze in zulassungsbeschränkten Studiengängen konnten im Wintersemester 2007/2008 und Sommersemester 2008 trotz Nachrückverfahren von den Hochschulen nicht besetzt werden?

7. Unterstützt die Landesregierung den Vorschlag des Bundes für eine reformierte ZVS, wonach eine zentrale Serviceeinrichtung zukünftig die Studentenauswahl wieder koordinieren soll? Wenn ja, wird sich das Land an den Kosten der zentralen Serviceagentur beteiligen?

8. Ist der Landesregierung bekannt, welche Hochschulen in Niedersachsen das Angebot der neuen Serviceagentur nutzen wollen?

9. Welche Kosten entstehen den Hochschulen durch die Nutzung des neuen Serviceangebotes? Wie hoch sind diese im Vergleich zu den Kosten der hochschuleigenen Zulassungsverfahren?

(An die Staatskanzlei übersandt am 20.10.2008 - II/721 - 144)

Antwort der Landesregierung

Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 17.12.2008 für Wissenschaft und Kultur - M – 01 420-5/144 -

Die Kultusministerkonferenz hat am 28.02.2007 beschlossen, die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) zu einer Serviceeinrichtung für Hochschulzulassung weiterzuentwickeln. Der Staatsvertrag vom 05.06.2008 über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassung vollzieht die beabsichtigte Überführung der durch den Staatsvertrag vom 20.10.1972 errichteten ZVS in eine andere Rechtsform mit der Folge ihrer Auflösung und der Errichtung einer (neuen) Stiftung des öffentlichen Rechts. Der Gesetzentwurf zur Ratifizierung des Staatsvertrages wird demnächst in den Landtag eingebracht werden. Die Stiftung für Hochschulzulassung wird neben der hoheitlichen Aufgabe der Studienplatzvergabe im bundesweiten Zulassungsverfahren Serviceleistungen für die Hochschulen auf deren Auftrag und gegen Erstattung der Kosten in grundständigen Studiengängen erbringen können. Dazu zählen u. a.:

– Einrichtung eines Bewerbungsportals mit Information und Beratung der Studienbewerberinnen und -bewerber, – Aufbereitung der Bewerberdaten, – Abgleich der Mehrfachzulassungen, – Vermittlung von nicht besetzten Studienplätzen.

Die Hochschulrektorenkonferenz hat am 19.11.2008 den Fahrplan zur schrittweisen Einführung des sogenannten dialogorientierten Verfahrens bei der Hochschulzulassung durch die künftige Servicestelle für Hochschulzulassung gebilligt. Die Kosten für das Serviceangebot können noch nicht beziffert werden, da die Entwicklung des Serviceverfahrens noch nicht abgeschlossen ist. Dementsprechend ist die Meinungsbildung in den Hochschulen noch nicht abgeschlossen. Es wird davon ausgegangen, dass teilnehmende Hochschulen Einsparungen durch Synergieeffekte bei der Inanspruchnahme der künftigen Servicestelle für Hochschulzulassung erzielen können. Die Kosten werden nach der Zahl der Studienplätze der jeweiligen Hochschule im Serviceverfahren erhoben werden.

Dies vorausgeschickt, werden die Fragen namens der Landesregierung wie folgt beantwortet:

Zu 1: Für das Wintersemester 2008/2009 liegen die Bewerberdaten noch nicht vollständig vor. In den Anlagen 1 und 2 ist daher die Bewerberstatistik für das Studienjahr 2007/2008 (WS 2007/2008 und SS 2008) getrennt nach Universitäten und Fachhochschulen dargestellt, wie sie durch die Hochschulen gemeldet wurden. Dazu ist Folgendes anzumerken: Im Zusammenhang mit der jährlichen Zulassungszahlenverordnung (ZZ-VO) werden die Hochschulen gebeten, für jedes Semester Bewerberzahlen für NC-Studiengänge online zu liefern. Es handelt sich hierbei um eine sogenannten freiwillige Statistik. Die Kapazitäten für die einzelnen Studiengänge der Hochschulen werden seit nunmehr drei Jahren gänzlich in Form von Vollzeitäquivalenten berechnet. Dementsprechend sind bei Eintrag der Bewerberzahlen die Fachfälle im 2-Fach-Bachelor-Master-System entsprechend des anzuwendenden Anrechnungsfaktors (Anlage 3 zur ZZ-VO) vorher in Vollzeitäquivalente umzurechnen. Leider wurde dies in den Vorjahren nicht von allen Hochschulen auch so praktiziert, in Einzelfällen ist für das Studienjahr 2007/2008 die Eingabe der Bewerberzahlen unterblieben. Trotz dieser Einschränkungen bietet die Bewerberstatistik einen guten Überblick über die Bewerbersituation in den einzelnen Studienfächern im Lande.

Zu 2: Im Durchschnitt benötigen die Hochschulen zwei Wochen bis zum Versenden der Zulassungsbescheide. Bei 2-Fach-Bachelorstudiengängen verlängert sich die Studienplatzzusage wegen des aufwendigeren Auswahlverfahrens. Dies gilt auch, wenn noch künstlerische Befähigungsprüfungen abgenommen werden müssen.

Zu 3: Seit vielen Jahren ist es gängige Praxis, dass Hochschulen in zulassungsbeschränkten Studiengängen Studienplätze entsprechend den jeweiligen Erfahrungen mit den Annahmequoten in den einzelnen Studiengängen überbuchen. a) Nach den Meldungen der Hochschulen überbuchen alle Hochschulen mit Ausnahme der Technischen Universität Clausthal (keine zulassungsbeschränkten Studiengänge), der Tierärztlichen Hochschule Hannover und der Hochschule für Musik und Theater Hannover. b) Die Zahl der Überbuchungen liegt im Durchschnitt bei etwa drei Zulassungen pro Studienplatz.

Zu 4: Nach den bisher vorliegenden Meldungen der Hochschulen zeichnet sich ab, dass im Nachrückverfahren rund 30 % der Studienplätze in grundständigen Studiengängen, ohne Studiengänge im bundesweiten Zulassungsverfahren, vergeben wurden.

Zu 5: Von den Hochschulen wurden entsprechend den Erfahrungen in den verschiedenen Studiengängen 1 bis 4 Nachrückverfahren mit einer Annahmefrist von bis zu 14 Tagen durchgeführt. Dabei sinkt die Dauer der Annahmefrist entsprechend der Zahl der durchgeführten Nachrückverfahren.

Zu 6: In den Anlagen 3 und 4 ist die personelle Aufnahmekapazität und die Zahl der Einschreibungen für das Studienjahr 2007/2008 getrennt nach Universitäten und Fachhochschulen für Bachelorstudiengänge dargestellt. Dabei wurde aus den unter Nummer 1 genannten Gründen von einer Übermittlung der Zahlen zu den 2-Fach-Bachelorstudiengängen abgesehen.

Zu 7: Der Ministerpräsident des Landes Niedersachsen hat den Staatsvertrag vom 5.06.2008 über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassung unterzeichnet. Der Staatsvertrag sieht in Artikel 2 bei § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 i. V. m. § 3 Abs. 1 vor, dass Serviceleistungen für die Hochschulen im Auftrag der Hochschulen und auf deren Kosten erbracht werden. Die Landesregierung begrüßt das Angebot des Bundes zur Mitfinanzierung des künftigen Serviceverfahrens der Servicestelle für Hochschulzulassung. Der tatsächliche Umfang der Finanzierung durch den Bund kann noch nicht beziffert werden, da die Entwicklung des Serviceverfahrens noch nicht abgeschlossen ist.

Zu 8: Da die Entwicklung des Serviceverfahrens noch nicht abgeschlossen ist und insbesondere die nach einer Einführungsphase zu erhebenden kostendeckenden Entgelte noch nicht belastbar dargestellt werden können, haben die niedersächsischen Hochschulen hierzu noch keine abschließende Stellungnahme abgegeben.

Zu 9: Vergleiche Antwort zu 7 und 8. Lutz Stratmann

(Ausgegeben am 12.01.2009)