Besorgniserregende Ergebnisse der Untersuchung „Lesen in Deutschland 2008“: Was unternimmt die Niedersächsische Landesregierung, um Lesebarrieren abzubauen?
Kleine Anfrage mit Antwort
Wortlaut der Kleinen Anfrage:
der Abgeordneten Daniela Behrens, Dr. Silke Lesemann, Dr. Gabriele Andretta, Matthias Möhle, Jutta Rübke, Stefan Schostok und Wolfgang Wulf (SPD), eingegangen am 29.01.2009
Besorgniserregende Ergebnisse der Untersuchung „Lesen in Deutschland 2008“: Was unternimmt die Niedersächsische Landesregierung, um Lesebarrieren abzubauen?
Die jüngste Untersuchung „Lesen in Deutschland 2008“ der Stiftung Lesen nimmt die Lesegewohnheiten der Bevölkerung unter die Lupe. Dabei sind die Ergebnisse besorgniserregend: Nur jeder Vierte in Deutschland nimmt ab und zu ein Buch zur Hand. Immer seltener bekommen Kinder und Jugendliche Bücher geschenkt. Die Zahl der Bücher pro Haushalt sinkt. Ein viel zu großer Teil der Bevölkerung bleibt damit außen vor, wenn es um schriftliche Kommunikation geht. Das betrifft alle Bereiche des beruflichen, gesellschaftlichen und politischen Lebens. Menschen mit unzureichendem Leseverständnis sind in allen Bereichen des Kompetenzerwerbs benachteiligt, und sie haben nicht zuletzt deutlich geringere Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Lesen ist die Grundlage für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Deswegen müssen die bestehenden Lesebarrieren abgebaut werden. Alle Bürgerinnen und Bürger müssen einen einfachen Zugang zu Büchern haben. Daher gilt es, Maßnahmen zu ergreifen, damit dieser Zugang realisiert und dann auch genutzt wird. Es gibt auch in Niedersachsen die Freiwilligeninitiative MENTOR, die sich jedoch ausschließlich aus Spenden finanziert.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:
1. Welche Konsequenzen will die Landesregierung aus dem Untersuchungsbericht „Lesen in Deutschland 2008“ ziehen?
2. Welche Konzeption wird zur Leseförderung verfolgt?
3. Wie hoch sind die Finanzmittel, die in Niedersachsen zum Ausbau der Leseförderungsinfrastruktur insbesondere im frühkindlichen und schulischen Bereich zur Verfügung stehen?
4. Welche Projekte wurden in den vergangenen vier Jahren zur Leseförderung durchgeführt? Wurden diese Projekte evaluiert? Wenn ja, welche Ergebnisse hat man festgestellt?
5. Welche Instrumente werden den Landesbibliotheken zur Verfügung gestellt, um Aktionen zur Leseförderung in den Häusern aktiv zu betreiben?
6. Den über 1 000 öffentlichen Bibliotheken in Niedersachsen steht die vom Land geförderte Büchereizentrale Lüneburg (BZ) als Fachberatungsstelle zur Verfügung. Welche Leseförderungsmaßnahmen hat die BZ in den vergangenen vier Jahren durchgeführt?
7. Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um Kindern und Erwachsenen gerade im ländlichen Raum den freien Zugang zu Büchern zu ermöglichen?
8. Die Akademie für Leseförderung an der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek soll ein regionalisiertes Kommunikationsnetzwerk für Leseförderung und Lesekultur aufbauen. Welche Impulse konnten durch dieses Netzwerk erzeugt werden?
9. Plant die Landesregierung, die Initiative MENTOR zu unterstützen? Wenn ja, wann und wie? Wenn nein, warum nicht?
(An die Staatskanzlei übersandt am 04.02.2009 - II/721 - 222)
Antwort der Landesregierung
Die Lesekompetenz ist eine Schlüsselqualifikation: Für das erfolgreiche Erlernen und Ausüben eines Berufes, die Teilhabe an der Gesellschaft, Kritikfähigkeit und damit ein selbstbestimmtes Leben ist eine gute Lesefähigkeit Grundvoraussetzung.
Angesichts ihrer großen gesellschaftlichen und bildungspolitischen Bedeutung ist die Leseförderung seit 2003 ein wichtiges Anliegen der Niedersächsischen Landesregierung. 2004 wurde in Zusammenarbeit mit der Stiftung Lesen an der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek in Hannover die Akademie für Leseförderung gegründet. Die Niedersächsische Landesbibliothek und die Stiftung Lesen haben hier mit Landesmitteln einen bundesweit einmaligen Weg beschritten und so die außerschulische Leseförderung durch eine landesweit wirkende Institution gezielt und nachhaltig vorangebracht. Mit dem Koalitionsvertrag 2008 bis 2013 der Fraktionen von CDU und FDP wurde die Lese- und Literaturförderung zu einem erklärten Schwerpunkt der Landespolitik.
Das Ziel der Landesregierung ist es, Lesekultur in der Gesellschaft weiter zu verankern. Hierzu dienen die Arbeit der Schulen, die Literaturförderung, das Bibliothekswesen, herausragende Projekte wie die Akademie für Leseförderung sowie die Kooperation mit zahlreichen Partnern. Die Landesregierung wird hier ihre vielfältigen Aktivitäten weiter intensivieren.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung im Einzelnen wie folgt:
Zu 1: Die Ergebnisse der Studie „Lesen in Deutschland 2008“ sind bisher nur in Auszügen veröffentlicht. Für eine seriöse Beurteilung sollte das Erscheinen der (Gesamt-) Druckversion mit der wissenschaftlichen Kommentierung und den Ergebnissen im Mai 2009 abgewartet werden.
Zu 2: In Übereinstimmung mit allen gesicherten Erkenntnissen zur Leseförderung verfolgt die Landesregierung das Konzept einer möglichst früh einsetzenden Leseförderung. Die Landesregierung begrüßt ausdrücklich Projekte wie „Lesestart“, mit denen Eltern bereits kurz nach der Geburt eines Kindes angesprochen werden. Hier wird der großen Bedeutung des Elternhauses in der Leseförderung Rechnung getragen.
In allen Bildungseinrichtungen des Landes ist das Literacy-Konzept leitend. Die Literacy-Erziehung nimmt nicht nur die reinen Sprach- und Lesefähigkeiten in den Blick, sondern umfassendere Kompetenzen, die das mündliche Erzählen, Textverständnis und Abstraktionsvermögen einschließen. Die Förderung von Literacy ist ein elementarer Bestandteil der Arbeit in den Kindertagesstätten ebenso wie des Faches Deutsch in den Schulen. Mit der Verpflichtung zur Umsetzung der länderübergreifenden Bildungsstandards hat das Land Niedersachsen das Literacy-Konzept zur Grundlage der Kerncurricula aller allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulformen erklärt. Darüber hinaus dienen sämtliche Maßnahmen zur Sprachförderung für zweisprachige und bildungsbenachteiligte Schülerinnen und Schüler der Förderung der Lesekompetenz.
In den Schulen gibt es vielfältige Aktivitäten zur Leseförderung, z. B. Vorlesewettbewerbe, Autorenlesungen, Bibliotheksarbeit, Lesewochen, Schülermentoren, Lesepässe, Leseclubs, die Beteiligung an Aktionen zum Welttag des Buches.
Die außerschulische Leseförderung ist Aufgabe vieler Kräfte und kann nicht von staatlicher Seite allein getragen oder gar verordnet werden. Einigkeit besteht unter den Experten darin, dass es nur mit einer Vielzahl sehr verschiedener Angebote möglich ist, Lesekompetenz zu vermitteln und zugleich die Lesemotivation und Lesehäufigkeit zu steigern. Hierfür gibt es gute Gründe. Die Lektüre und der Genuss von Literatur sind eine höchst individuelle Angelegenheit. Eine stabile Lesefähigkeit sowie eine positive Einstellung zum Buch lassen sich nur erreichen, wenn eine große Bandbreite an unterschiedlichen Anregungen geboten wird. Schließlich erfordern nicht nur die verschiedenen Altersstufen und Kenntnisse von Kindern und Jugendlichen, sondern auch deren persönliche Interessen jeweils neue Herangehensweisen. Dass die niedersächsische Förderlandschaft durch eine große Vielfalt unterschiedlicher Trägerschaften und Ansätze geprägt ist, ist mithin ein Qualitätsmerkmal. Ohne das besondere Engagement von Erzieherinnen, Lehrern, Bibliothekaren, von ehrenamtlich arbeitenden Vorlesepaten und Leselernhelfern wäre die Vielfalt des Angebotes nicht möglich. Insbesondere den vielen ehrenamtlich getragenen Initiativen und Vereinen, die mit ihrer regelmäßigen Arbeit zu verlässlichen Kooperationspartnern geworden sind, gebührt eine besondere Anerkennung.
In der außerschulischen Leseförderung spielen insbesondere die Bibliotheken eine bedeutende Rolle. Sie sind nicht nur die Lieferanten des Lesestoffs, sondern zugleich zentrale Anlaufstellen in allen Fragen des Lesens. Damit Bibliothekarinnen und Bibliothekare mit ihrem Spezialwissen immer auf dem aktuellsten Stand bleiben, bietet die durch das Land institutionell geförderte Büchereizentrale Niedersachsen vielfältige Fortbildungen zum Thema.
In einer Förderlandschaft, die vom Zusammenwirken vieler Kräfte lebt, ist die Vernetzung der regionalen und überregionalen Aktivitäten entscheidend. Mit der Akademie für Leseförderung als Plattform für alle Leseförderungsmaßnahmen in Niedersachsen erfüllt die Landesregierung diese strukturelle Notwendigkeit. Die Mitarbeiter der Akademie sorgen für den Austausch von Informationen, bieten Weiterbildungsseminare für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren und leisten eine erhebliche Vernetzungsarbeit.
Zu 3: Die Leseförderung gehört zum Bildungsauftrag der Kindertageseinrichtungen und der Schulen. Der Aufbau einer gesonderten Infrastruktur ist daher nicht erforderlich. Entsprechend werden auch die insgesamt für Schulen und Kindertageseinrichtungen aufgewendeten Finanzmittel anteilig für die Leseförderung eingesetzt.
An zusätzlich aufgewendeten Mitteln sind beispielhaft anzuführen: In der Grundschule werden durch zentrale Vergleichsarbeiten im 3. Schuljahrgang (Projekt VERA 3) die Leseleistungen der Schülerinnen und Schüler seit dem Schuljahr 2007/2008 jährlich überprüft. Umfangreiches didaktisches Material, das den Schulen zur Verfügung gestellt wird, hilft den Schulen dabei, die Lernstände der Schülerinnen und Schüler zu ermitteln und geeignete Fördermaßnahmen einzuleiten. Die Entwicklung, Durchführung und Auswertung der Vergleichsarbeiten kostet pro Jahr und Fach ca. 20 000 Euro.
Im Sekundarbereich I, Schuljahrgang 8, werden im März 2009 in Niedersachsen erstmals auch im Fach Deutsch verbindliche Vergleichsarbeiten geschrieben. Das Lesen ist dabei ein Testbereich. Auch hier kommen Tests sowie umfangreiches didaktisches Material zum Einsatz, um auf die Schülerinnen und Schüler zugeschnittene Fördermaßnahmen ergreifen zu können.
In 2008 betrug der niedersächsische Anteil zur Entwicklung der Testaufgaben 30 864 Euro. Auch für die Vergleichsarbeiten 2010 ist geplant, die Lesekompetenzen zu überprüfen. Es ist im Haushaltsjahr 2009 von Kosten in Höhe von ca. 30 000 Euro auszugehen. Hinzu kommen weitere Kosten, die durch die wissenschaftliche Auswertung der Ergebnisse und deren Rückmeldung an die Schulen entstehen. Hier ist jährlich ab 2009 von Kosten in Höhe von ca. 5 000 Euro auszugehen.
Seit dem Schuljahr 2007/2008 nimmt Niedersachsen an dem gemeinsamen Projekt aller Bundesländer „ProLesen“ teil. Das KMK-Projekt begreift Förderung der Lesekompetenz in der Unterrichtssprache Deutsch als eine zentrale schulische Aufgabe und daher als eine Aufgabe für alle Fächer. Ziel des Projekts ist, Konzepte und Materialien zur Leseförderung für alle Schulformen zu erarbeiten und über eine Datenbank den Schulen zur Verfügung zu stellen.
Niedersachsen hat für die Teilnahme an diesem Projekt über die gesamte Laufzeit ca. 23 000 Euro aufzuwenden. Zusätzlich stellt Niedersachsen den teilnehmenden Lehrkräften für das Projekt 96 Anrechnungsstunden zur Verfügung. Die Ergebnisse von „ProLesen“ sollen den Schulen im Jahr 2010 zugänglich gemacht werden. Niedersachsen hat ebenfalls an dem KMK-Projekt „Bereitstellung von Fortbildungskonzepten und -materialien zur kompetenz- bzw. standardbasierten Unterrichtsentwicklung (format)“ teilgenommen, in dem u. a. für den Kompetenzbereich Lesen Unterrichtsmaterialien entwickelt wurden. Niedersachsen hat für die Teilnahme an diesem Projekt, dessen Ergebnisse den Schulen ab Sommer 2009 zur Verfügung stehen werden, für die gesamte Laufzeit knapp 20 000 Euro aufgewendet.
Das Land Niedersachsen kooperiert seit 2004 im Projekt „Akademie für Leseförderung der Stiftung Lesen an der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek“ mit der Stiftung Lesen. Seitens der Landesregierung werden drei Vollzeitabordnungen von Lehrkräften sowie Haushaltsmittel in Höhe von 15 500 Euro eingebracht.
Für Beratungsaufgaben zu Schulbibliotheksarbeit und Leseförderung stehen 48 Anrechnungsstunden zur Verfügung. Die Landesregierung finanziert die Schülerseminare an der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel mit durchschnittlich 1 500 bis 2 000 Euro jährlich. An der Landesbibliothek Oldenburg wird das Projekt „Schule und Bibliothek - Bildungspartner für Lese- und Informationskompetenz“ mit jährlich 12 000 Euro gefördert.
Seit 2008 erhält der Friedrich-Bödecker-Kreis als Fachverband im Bereich Kinder- und Jugendliteratur eine institutionelle Förderung von jährlich 110 000 Euro. Der Ausbau von landesweiten Strukturen der Literaturvermittlung und Leseförderung durch den Friedrich-Bödecker-Kreis ist durch eine Zielvereinbarung festgelegt. Hiermit ist die Handlungsempfehlung der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“, die Leseförderung durch Zielvereinbarungen mit der Förderung von Verbänden und Einrichtungen der Literaturförderung zu verknüpfen, unmittelbar umgesetzt worden.
Der Friedrich-Bödecker-Kreis hat 2008 u. a. 1 395 Autorenbegegnungen ermöglicht und auf diese Weise ca. 70 000 Kinder und Jugendliche erreicht. Daneben wurden aber u. a. auch Schreibwerkstätten an Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien durchgeführt.
Ebenfalls durch eine Zielvereinbarung ist der Bereich der Leseförderung in den Programmen der Literaturbüros in Braunschweig, Göttingen, Hannover, Lüneburg, Oldenburg und Osnabrück festgeschrieben. Einen Teil der Landesförderung in Höhe von 316 000 Euro wenden die Literaturbüros damit für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen auf. In den letzten Jahren sind mit diesen Mitteln beispielsweise in Oldenburg mehrere Poetry Slam-Wettbewerbe, Lesungen für junge Autoren sowie ein Festival für Literatur und Neue Medien veranstaltet worden. Im Literarischen Zentrum Göttingen wurde das Projekt „Literatur macht Schule“ ins Leben gerufen, das mit Lesungen, Gesprächen und Thementagen die Vermittlungslücke zwischen Schule und zeitgenössischer Literatur schließt.
Darüber hinaus unterstützt die Landesregierung weitere Einzelprojekte, die von außerschulischen Partnern in Zusammenarbeit mit Schulen durchgeführt werden, im Umfang von ca. 7 500 Euro jährlich.
Zu 4: Eine vollständige zentrale Erfassung aller Projekte zur Leseförderung in Niedersachsen wird nicht durchgeführt. Als Beispiele für Projekte des Landes sind hier zu nennen: die Akademie für Leseförderung, die Kooperation mit dem Landesverband Niedersachsen im Deutschen Bibliotheksverband (Veröffentlichung gemeinsamer Handreichungen), die Kooperation mit dem Börsenverein des deutschen Buchhandels (Welttag des Buches, Vorlesewettbewerb), Unterstützung der Neubildung regionaler Lesenetzwerke (z. B. Rehburg-Loccum), Kooperation mit dem Friedrich-Bödecker-Kreis (u. a. Frühkindliche Leseförderung - Workshops von Autorinnen und Autoren in Kindertagesstätten), Wolfenbütteler Schülerseminare, Projekt „Fit für die Informationsbeschaffung in Niedersachsen“ mit wissenschaftlichen Bibliotheken, zahlreiche Informations- und Fortbildungsveranstaltungen des Niedersächsischen Landesamts für Lehrerbildung und Schulentwicklung, Beteiligung am bundesweiten Vorlesetag, Förderung der Kinder- und Jugendbuchmesse KIBUM in Oldenburg.
Die Landesregierung hat keine Kenntnisse darüber, inwieweit lokale oder regionale Projekte zur Leseförderung evaluiert werden. Grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, dass die Entwicklung verlässlicher Instrumente zur Evaluierung von Lesefördermaßnahmen ein wissenschaftliches Desiderat darstellt. Der hohe Forschungsbedarf hierzu wurde z. B. beim Round Table 2007 der Stiftung Lesen von Experten erörtert.
Zu 5: In allen drei Niedersächsischen Landesbibliotheken werden neue Wege zur Vermittlung von Lese- und Informationskompetenz beschritten. An der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek ist die Akademie für Leseförderung das zentrale Projekt zur Leseförderung. Mit ca. 120 Weiterbildungsveranstaltungen pro Jahr werden 3 000 bis 3 500 Teilnehmer erreicht (davon 35 % Lehrkräfte, 26 % Ehrenamtliche, 14 % Bibliothekare, 13 % Eltern). Dabei wird u. a. eine zertifizierte Ausbildung von Multiplikatoren in der Leseförderung angeboten. Außerdem stellt die Akademie Informationsmaterialien (Literaturlisten, Leitfäden usw.) zur Verfügung, konzipiert Ausstellungen („Leseförderung in Europa“, „Leseland Niedersachsen“ usw.) und unterstützt Aktionen wie den „Welttag des Buches“ und den „bundesweiten Vorlesetag“.
Die Landesbibliothek Oldenburg führt seit 2007 gemeinsam mit drei weiteren Oldenburger Bibliotheken sowie vier Schulen das Projekt „Schule und Bibliothek“ durch. In diesem bundesweit einmaligen Projekt erarbeiten die Projektpartner gemeinsam ein Unterrichtskonzept zur Stärkung von Lese- und Informationskompetenz. Es begleitet als „Spiralcurriculum“ von der 1. Klasse bis zum Abitur die gesamte Schullaufbahn. Alle Schülerinnen und Schüler der beteiligten Schulen erhalten von Anfang an in regelmäßigen Abständen Unterricht am außerschulischen Lernort Bibliothek.
Darüber hinaus engagiert sich die Landesbibliothek Oldenburg gemeinsam mit der Oldenburgischen Bibliotheksgesellschaft seit 2006 aktiv im Rahmen der AG Bibliotheken der Oldenburgischen Landschaft für Leseförderung in der Region. 2009 wird bereits zum vierten Mal eine Aktionswoche rund um den Welttag des Buches stattfinden.
Die Herzog August Bibliothek bietet seit 1983 dreitägige „Schülerseminare“ für Kurse der gymnasialen Oberstufe und Seminarfachkurse an. Die Landesregierung unterstützt dieses Projekt mit der Freistellung zweier Gymnasialpädagogen, die jeweils mit halber Stelle an die Bibliothek abgeordnet sind und in Absprache mit den Fachlehrern die Schülerseminare durchführen.
Für Kinder finden in der Herzog August Bibliothek regelmäßig speziell auf die Bedürfnisse von Kindern ausgerichtete Führungen durch die musealen Räume statt.
Zu 6: Die durch das Land institutionell geförderte Büchereizentrale Niedersachsen stellt den Öffentlichen Bibliotheken im ganzen Land eine umfangreiche Palette von Angeboten zur Leseförderung zur Verfügung. Neben der Beratungs- und Weiterbildungsarbeit dienten in den letzten vier Jahren insbesondere die folgenden Maßnahmen der Leseförderung:
Die Büchereizentrale organisierte jährlich ca. 350 bis 400 Autorenlesungen. Dabei stellten ca. 80 % der Autoren Kinder- und Jugendbücher vor. Zum Teil fanden die Lesungen in Kooperation mit Schulen und Kindertagesstätten statt.
Ein besonders großer Erfolg ist das seit 2006 jedes Jahr in den Sommerferien veranstaltete Leseförderprojekt Julius-Club. In 25 bis 30 öffentlichen Bibliotheken des Landes werden 40 von einer Fachjury ausgewählte aktuelle Kinder- und Jugendbücher bereit gestellt und von Schülern (Julius-Club-Mitgliedern) in den Sommerferien gelesen und anschließend beurteilt. Einen sehr anspruchsvollen Rahmen bieten dabei die örtlich für die Julius-Club-Mitglieder stattfindenden Veranstaltungen rund um die Julius-Bücher und das Lesen allgemein. Der Julius-Club erreicht jährlich viele tausend Kinder aller Schultypen im Land und macht sie nicht nur mit den Büchern selbst, sondern mit ihrer jeweiligen Öffentlichen Bibliothek bekannt.
Für die beliebten „Bilderbuchkino“-Vorführungen stellt die Büchereizentrale Niedersachsen den Öffentlichen Bibliotheken ein großes Sortiment an „Bilderbuchkino“-Serien (Bilderbücher ohne Text in Dia- oder PowerPoint-Form) zur Verfügung, mit denen bei mehr als 4 000 Vorführungen jährlich über 60 000 Kinder im Vorschulalter Bilderbücher kennen lernen und die Bibliothek als Erlebnisort für das Lesen wahrnehmen. Ein weiteres Leseförderungsangebot, das die Büchereizentrale für die niedersächsischen Bibliotheken konzipiert hat, ist das Werbepaket „Leo Lesepilot“. Es enthält verschiedene Materialien, mit denen die Büchereien Erstklässler und deren Eltern auf ihre Angebote aufmerksam machen können.
Zu 7: Mit dem Projekt „Onleihe-Portal“ ermöglicht die Landesregierung eine standortunabhängige Versorgung mit Literatur, die insbesondere dem ländlichen Raum zugute kommt. Nutzer erhalten über das Internet einen komfortablen Zugang zu Büchern. Der Begriff „Onleihe“ ist eine Zusammenziehung aus den Worten Online und Ausleihe und bezeichnet die Möglichkeit über ein Verbundportal Medien digital auszuleihen. An dem durch die Landesregierung geförderten Projekt der Büchereizentrale Niederachsen nehmen zunächst 16 überwiegend kleinere Bibliotheken, wie zum Beispiel die Gemeindebücherei Seevetal, die Stadtbücherei Westerstede oder die Bibliothek der Samtgemeinde Fürstenau teil. Jeder Bibliotheksnutzer, der dort registriert ist, kann sich über den Onleihe-Service Bücher bequem per Mausklick von zu Hause aus ausleihen.
Zu 8: Die Akademie für Leseförderung hat bereits ein Kommunikationsnetzwerk zur Leseförderung und Lesekultur aufgebaut, das kontinuierlich erweitert wird. Sie betreibt eine Website, über die wöchentlich Meldungen zum Thema Leseförderung bereit gestellt werden. Diese Website wurde im Jahr 2008 monatlich ca. 12 000 bis 14 000 Mal aufgerufen. Seit April 2008 erscheint regelmäßig ein monatlicher Newsletter mit über 1 700 Adressaten. Im August 2008 wurde eine Informationsbroschüre über die Akademie in einer Auflage von 10 000 Exemplaren gedruckt. Davon wurden 7 000 Exemplare dem Schulverwaltungsblatt beigeheftet. Die Akademie bietet persönliche Beratung telefonisch oder im direkten Kontakt an. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Akademie arbeiten in verschiedenen Gremien und Netzwerken (z. B. Jurys, Arbeitsgruppen) mit. Die Akademie verschickt Materialien, in der Regel gezielt auf Anfrage. Eine Veröffentlichung „Leseland Niedersachsen“ (Arbeitstitel) ist in Vorbereitung.
Die durch die Netzwerkarbeit der Akademie erzeugten Impulse spiegeln sich z. B. in einer verstärkten Berichterstattung in der Presse wider. Insgesamt ist eine größere öffentliche Resonanz auf Aktivitäten zur Leseförderung in Niedersachsen erkennbar. Die Zusammenarbeit zwischen Kitas, Schulen und Öffentlichen Bibliotheken (im Rahmen von lokalen Netzwerken) bei der Leseförderung wird unterstützt. Weitere Einrichtungen wie Bürgerstiftungen, Freiwilligeninitiativen, Volkshochschulen werden in lokale Netzwerke eingebunden. Eltern werden für die Leseförderung sensibilisiert. Die Akademie hat bei der Gründung zahlreicher neuer Projekte zur Lesefrühförderung in ganz Niedersachsen (Lesestart, Buchstart) mitgewirkt und tut dies weiterhin.
Zu 9: Die Initiative MENTOR wird bereits durch die Landesregierung unterstützt. Der Niedersächsische Ministerpräsident hat im Jahr 2004 die Schirmherrschaft für das Projekt übernommen. 2008 erhielt der Verein Landesmittel in Höhe von 20 000 Euro für den Aufbau eines gemeinsamen Internetauftritts, Werbemittel und die Schulung von Leselernhelfern. Darüber hinaus hat die Akademie für Leseförderung in Zusammenarbeit mit der Agentur für Erwachsenen- und Weiterbildung zahlreiche Fortbildungsveranstaltungen für künftige Mentorinnen und Mentoren durchgeführt. Aufgrund der starken Nachfrage wurde seitens der Akademie ein Fortbildungskonzept für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in der Leseförderung erstellt, das mit einem Zertifikat abschließt. Die Akademie für Leseförderung hat zudem eine Hilfestellung zur Gründung von neuen Mentoreninitiativen entwickelt, die im Internet abrufbar ist.
Lutz Stratmann
(Ausgegeben am 30.03.2009)