Rede von Dr. Silke Lesemann im Landtagsplenum am 20. Februar 2009

Einzige (abschließende) Beratung: Chancengleichheit verbessern - Studentenwerke stärken - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/428 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Kultur - Drs. 16/915

Dr. Silke Lesemann (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Glückliches Nordrhein-Westfalen! Ein Viertel der für die Hochschulen vorgesehenen Mittel aus dem Konjunkturpaket II erreicht dort die zwölf Studentenwerke. Das sind 120 Millionen Euro und ca. 10 Millionen Euro pro Studentenwerk - Geld für die Sanierung von Wohnheimen und Mensen. Eine kluge Entscheidung! Denn mit dieser Zukunftsinvestition wird die Attraktivität der Studienstandorte zwischen Weser und Rhein langfristig erhöht. Armes Niedersachsen hingegen! Denn uns erwächst im Wettbewerb um Studierende ein großer Konkurrent. Junge Menschen achten bei der Wahl ihres Studienortes immer mehr auch auf die Qualität von Serviceleistungen vor Ort. Schauen wir einmal, was hierzulande passiert! So paradiesisch, wie Sie sie uns immer wieder verkaufen wollen, sind die Zustände hier nämlich nicht.

(Beifall bei der SPD)

Die hiesigen Studentenwerke erhalten nur einen kleinen Brocken aus dem Konjunkturpaket II. Angemeldet hatten sie einen Bedarf von 70 Millionen Euro für dringende Investitionen in Wohnheime, Mensen und Cafeterien. Weniger als 10 Millionen Euro sollen sie nun erhalten. Insbesondere in den Wohnheimen gibt es an einigen Standorten größte bauliche und energetische Sanierungsstaus. Das Studentenwerk Göttingen beispielsweise hat einen Sanierungsbedarf von 37,3 Millionen Euro, das in Hannover Bedarfe in Höhe von 28,5 Millionen Euro. 70 % der hannoverschen Wohnheime sind älter als 30 Jahre. Durch das Abitur nach Klasse 12 und die Hochschulreform sind die Studierenden künftig zahlreicher, jünger und internationaler, aber auch mobiler. Das hat etwas mit der Schulzeitverkürzung, dem doppelten Abiturientenjahrgang und der politisch gewollten Erhöhung der Studierendenquote zu tun. Wohnheimplätze werden künftig noch gefragter sein. Herr Minister, wenn es Ihnen mit der Ausweitung der Internationalisierung ernst ist, müssten Sie hier wesentlich mehr tun. Schon jetzt werden in Hannover zwei Drittel, in Braunschweig fast 50 % und in Göttingen ungefähr ein Drittel der Plätze von ausländischen Studierenden belegt.

Vizepräsidentin Astrid Vockert: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Silke Lesemann (SPD): Nein, ich bin ein bisschen knapp in der Zeit. Es tut mir leid. (Karl-Heinz Klare [CDU]: Das wird nicht angerechnet!)

- Trotzdem nicht. - Viele Wohnheime - siehe Hannover - sind baulich und technisch nicht mehr zeitgemäß. Wie Studierende mit Kindern oder auch behinderte Studierende in den nach dem Standard der 60er-Jahre gebauten Wohnheimen unterkommen können, ist uns ein Rätsel. Hier ist wirklich dringender Handlungsbedarf gegeben.

(Beifall bei der SPD)

Nun fordert der Änderungsvorschlag von CDU und FDP die Prüfung des Bedarfs von Wohnheimplätzen. Meine Damen und Herren, wenn Sie im Ausschuss zugehört hätten, wüssten Sie, dass dies schon erfolgt ist. Wir sind im Ausschuss bereits immer wieder mit Material vom MWK versorgt worden, in dem der Bedarf festgestellt wurde, vor allem in Göttingen, Hannover und Braunschweig. Zum Beispiel in Göttingen gibt es einen Bedarf von 400 zusätzlichen Wohnheimplätzen, in Hannover einen solchen von 250 zusätzlichen Wohnheimplätzen. Die Studentenwerke werden in dem Änderungsvorschlag zu unserem Antrag in diesem Zusammenhang aufgefordert, für Bauunterhaltung und Sanierung der Wohnheime Rücklagen zu bilden. Die Realität ist doch so: Wohnheime müssen kostendeckend bewirtschaftet werden. Mietkalkulatorisch werden Rücklagen bereits jetzt gebildet. Im Falle von älteren Wohnheimen ist ausreichende Rücklagenbildung schwierig, will man die Mieten nicht in schwindelerregende Höhen treiben. Deshalb fordern wir die Aufnahme der Studentenwohnheime in den Förderkatalog des Niedersächsischen Wohnraumfördergesetzes.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben im Ausschuss gefordert, dass hierfür zusätzliche Mittel in den Topf eingebracht werden müssen. Grundsätzlich ist das in Niedersachsen - wie in anderen Bundesländern - ebenfalls möglich. Also weg mit der Förderlücke und Aufnahme der Wohnheime in den Förderkatalog! Doch auch hier verweigern sich CDU und FDP. Die Regierungsfraktionen benachteiligen die Studentenwerke nun doppelt. Sie verweigern die Förderung nach dem Wohnraumfördergesetz, und sie verweigern eine ausreichende Förderung aus dem Konjunkturpaket II. Herr Stratmann, wie soll der Studienstandort Niedersachsen unter diesen Bedingungen attraktiver werden?

Wenn es der Landesregierung mit ihrer Absicht ernst ist, mehr Studienplätze für mehr Studierende zu schaffen, muss sie vermehrt in die sozialen Rahmenbedingungen investieren. Dazu gehört auch die von uns geforderte zehnprozentige Anpassung der Finanzhilfen. Immerhin hat der Minister den Studentenwerken letztes Jahr 1,3 Millionen Euro in Aussicht gestellt. Herausgekommen sind gerade einmal 500 000 Euro. Die Regierungsfraktionen rühmen sich mit einer vermeintlich großzügigen Ausstattung der Studentenwerke. Doch schauen wir nach Baden-Württemberg! Dort erhalten die Studentenwerke neben knapp 20 Millionen Euro noch weitere Mittel für Wohnen und Verpflegung. Im Jahre 2007 erhielten sie Mittel in Höhe von 7,5 Millionen Euro für den Wohnheimbau. Im Jahre 2008 waren es 9 Millionen Euro. In Bayern ist es ähnlich. Das alles sind Gelder, die in Niedersachsen mit der Abschaffung des Mensazentralfonds und der Zuschüsse für ältere Wohnheime gestrichen wurden.

Nun noch ein paar Worte zu Ihrer Forderung, Hochschulen und Studentenwerke mögen bei der Studien- und Finanzierungsberatung zusammenarbeiten: Das tun sie doch schon längst. Zusammenarbeit ist immer gut. Momentan verweisen die Hochschulen in aller Regel auf die Studentenwerke. Die Hochschulen selbst bieten keine Studienfinanzierungsberatung an. Das sollten Sie eigentlich wissen. Durch die Einführung von Studiengebühren hat die Landesregierung die Situation für die Studierenden verschärft, ohne dass mehr Mittel für die Finanzierungsberatung zur Verfügung gestellt wurden. Wer gerade eben noch Taschengeld erhalten hat, soll jetzt über die Kreditaufnahme und langfristige Verschuldung entscheiden. Wir meinen, die Kompetenzen der Studentenwerke auf diesem Gebiet sollten ausgebaut werden. Stellen Sie endlich Geld dafür bereit!

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir haben unseren Antrag bereits im September eingebracht. CDU und FDP haben eine abschließende Beratung aber immer wieder verzögert. Nun haben sie einen weichgespülten Änderungsvorschlag vorgelegt, der weit hinter unsere Forderungen zurückfällt und außer Selbstverständlichkeit nicht viel bietet. Immerhin: Die Kompetenzen der Studentenwerke erkennen Sie an. Doch warme Worte nützen nichts. Die niedersächsischen Studentenwerke brauchen eine vermehrte Förderung, d. h. in erster Linie Geld und keine warmen Worte.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)