Rede von Dr. Silke Lesemann im Landtagsplenum am 14.01.2009

Zweite Beratung: Kluge Investitionen in kluge Köpfe: Mehr Geld für die Hochschulen - weniger Kosten für die Studierenden! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/606 - Beschlussempfeh-lung des Ausschusses für Wissenschaft und Kultur - Drs. 16/764

Dr. Silke Lesemann (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Studien über das deutsche Bildungssystem ähneln sich in einem Befund: Es bringt zu wenig Akademiker hervor, weil es sozial extrem sortiert. Die jüngste europäische Vergleichsstudie EUROSTUDENT III zeigt dies in beschämender Weise gerade für die deutschen Bundesländer.

(Beifall bei der SPD)

Während die Niederlande, Spanien und Finnland die sozial offensten Hochschulsysteme haben, liegt Deutschland im Ländervergleich im letzten Drittel, nur noch vor Lettland, der Slowakei, Tschechien, Rumänien und Bulgarien. Für mehr Chancengleichheit muss die Durchlässigkeit des Bildungssystems vergrößert werden. Dies ist übrigens auch im Sinne von Wettbewerbsfähigkeit. Bildung ist nämlich - dies sagen unisono mittlerweile fast alle - die soziale Frage des 21. Jahrhunderts.

(Beifall bei der SPD)

Der Zugang zu akademischer Bildung wird seit Langem von Akademikergeneration zu Akademikergeneration weitervererbt.

(Jens Nacke [CDU]: Mein Gott noch mal!)

Das erinnert an die Ständegesellschaft, die wir eigentlich überwunden haben sollten. Bildung ist das große Zukunftsthema. DIHK-Präsident Braun sagte vor Kurzem: Wenn wir unsere Zukunftsfähigkeit durch nicht ausreichende Bildungsanstrengungen gefährden, ist dies nichts anderes als Harakiri. - Dem ist kaum etwas hinzuzufügen. Der Zusammenhang von Bildung, Armut, Geschlecht und sozialem Zusammenhalt ist überdeutlich. Gleiche Bildungschancen sind für das Funktionieren unserer Gesellschaft zentral; denn das meint soziale Integration, Teilnahme und Teilhabe. Dafür stehen wir als Sozialdemokraten.

(Beifall bei der SPD)

Mit dem Grundtenor - dies haben wir in den Beratungen gesagt - des Grünen-Antrags stimmen wir überein. An unserer Einschätzung, dass der vorliegende Entschließungsantrag den richtigen Weg einschlägt, hat sich während der Beratung nichts geändert. Wie sollte es auch? Gebührenfreiheit im Erststudium, eine bessere Hochschullehre, ein sozial gerechteres Stipendienwesen - das sind auch die Forderungen meiner Fraktion.

In puncto Finanzhilfe für Studentenwerke haben wir, die SPD, bereits im September 2008 einen Entschließungsantrag vorgelegt, dessen inhaltliche Forderungen die Grünen hier aufnehmen. Mehr Studieninteressierte werden mit dem doppelten Abiturientenjahrgang 2011 vor den Toren der Hochschulen stehen. Heißen wir sie willkommen!

(Beifall bei der SPD)

Damit sie den Weg an Niedersachsens Hochschulen finden, brauchen wir allerdings ausreichend Studienplätze. Wir brauchen auch eine gute an studentischen Bedürfnissen orientierte soziale Infrastruktur. Dazu gehören campusnaher Wohnraum, günstiges Essen in Mensen und kompetente Beratungsangebote z. B. zur Studienfinanzierung. Die SPD hat daher im Haushalt eine Aufstockung der Finanzhilfe für Studentenwerke um 10 % gefordert. Dieser Forderung hat sich die Koalition nicht ganz verschlossen.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Immerhin!)

Außerdem fordern wir die Aufnahme der Studentenwerke in das Wohnraumförderungsgesetz. Beispielhaft geschieht dies in Schleswig-Holstein, Bayern und Hamburg. Unser Entschließungsantrag in der Drs. 16/814 - „Deutschlandfonds“ für Niedersachsen nutzen ... - unterstreicht die Wichtigkeit, die der Wohnheimbau für uns hat. Unsere Forderung nach Abschaffung der Studiengebühren haben wir in den Haushaltsberatungen mit einer Gegenfinanzierung in vollem Umfang unterlegt. 94 Millionen Euro stellen wir den Hochschulen für einen Qualitätspakt für Lehre zur Verfügung; denn unser Ziel lautet: Gute Lehre für alle!

(Beifall bei der SPD)

Die Grünen-Forderung nach einem leistungsfähigen Stipendienprogramm unterstützen auch wir. Begabte aus einkommensschwachen Familien oder ehrenamtlich tätige Studierende warten noch immer vergeblich auf das uneingelöste Versprechen des Wissenschaftsministers nach Stipendienprogrammen.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Das kann dauern!)

Nur 1 Million Euro hat die Koalition den 140 000 Studierenden im Land zur Verfügung gestellt. Meine Damen und Herren, es ist doch völlig absurd, dass sich die Studierenden auch noch mit ihren Studiengebühren an den Stipendien beteiligen sollen. Das machen wir nicht mit!

(Beifall bei der SPD)

Gebührenfreiheit für das Erststudium und Investitionen in eine gute Lehre sind Forderungen in dem Antrag, die auch unsere Forderungen sind. Wir haben sie im Haushalt mit 94 Millionen Euro für einen Qualitätspakt für Lehre abgebildet. Die Grünen gehen allerdings über die von uns beantragte Haushaltssumme hinaus. Allein deshalb werden wir uns heute enthalten.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)