Rede von Dr. Silke Lesemann im Landtagsplenum am 12.12.2008

Zur Petition 301/04/16

Dr. Silke Lesemann (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erst gestern hat uns das Thema der von uns strittig gestellten Petition beschäftigt. Es bedarf keiner Wahrsagekraft, um zu prophezeien, dass es das auch in den nächsten Jahren noch tun wird.

An dieser Stelle geht es um die Betreuung und die Qualität frühkindlicher Bildung in Krippen. Die Petentinnen sind Eltern und Mitarbeiterinnen der Kindertagesstätte Spatzennest e. V. Dieser Verein betreibt seit 2004 mit viel Elan und Engagement eine Krippe.

Kernforderung dieser Petition ist die Verbesserung des Personalschlüssels im Niedersächsischen Kindertagesstättengesetz. Die Personalausstattung in niedersächsischen Kindertagesstätten liegt unter den EU-Empfehlungen und unter dem bundesdeutschen Schnitt, wie Sie beispielsweise dem Bericht der Bertelsmann-Stiftung zur frühkindlichen Erziehung und Bildung entnehmen können. Das Saarland und Rheinland-Pfalz haben übrigens bereits einen Betreuungsschlüssel von einer Erzieherin zu fünf Kindern.

Es gibt wohl kaum besser geeignete Zeugnisse für die unzumutbaren Rahmenbedingungen, unter denen Krippen bei uns betrieben werden, als die Beschreibungen aus Einrichtungen wie dem Spatzennest.

(Beifall bei der SPD)

Zwei Erzieherinnen betreuen jeweils 15 Kinder im Alter von ein bis drei Jahren. Die Eltern unter Ihnen können sich eine vage Vorstellung davon machen, was dies bedeutet. Händewaschen, Wickeln, Betreuen von Toilettengängen, Füttern und Schlichten von Streitereien mögen schon bei zwei Kindern eine große Herausforderung darstellen.

Der jetzige Zustand ähnelt allerdings eher der Situation, die meine Kollegin Frauke Heiligenstadt plastisch beschrieben hat. Eine Erzieherin muss sich um mehr als sieben - rechnerisch um genau 7,5 - Kinder unter drei Jahren kümmern. Die Vorstellung von zwei Zwillings- und einem Drillingspärchen, die gewickelt, gefüttert und individuell gefördert werden sollen, macht deutlich, wie groß diese Herausforderung ist. Mehr als satt und sauber ist da oft nicht drin.

Wie soll unter diesen Bedingungen der in bildungspolitischen Sonntagsreden so gerne formulierte Anspruch auf frühkindliche Bildung erfüllt werden? Mehr Bildung ja, mehr Personal nein - das ist die Situation. Bildung ohne Bindung klappt aber nicht.

(Beifall bei der SPD)

Die vorliegenden Forderungen werden durch verschiedene nationale und internationale Gremien, Fachkreise und wissenschaftliche Studien unterstützt. Die Verbesserung der Standards auf die Kommunen abzuwälzen, halten wir für verkehrt. Das Qualitätsniveau der Bildung und Erziehung unserer Jüngsten darf nicht davon abhängig sein, in welcher Kommune sie aufwachsen.

(Beifall bei der SPD)

Die geforderten Qualitätsstandards müssen durch eine Festschreibung entsprechender Rahmenbedingungen auch im Niedersächsischen Kindertagesstättengesetz festgelegt werden. Gestern wohnten die Petentinnen übrigens der Debatte zum Gesetzentwurf zur Verbesserung der Qualität in Tageseinrichtungen für Kinder bei. Von der ablehnenden Haltung der Regierungsfraktionen waren sie schwer enttäuscht und haben die Debatte als zynisch empfunden.

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Mit Recht!)

Heute haben Sie die Chance, den Petenten das Signal zu geben, dass Sie ihre Ziele unterstützen. Qualität für unsere Kinder muss an erster Stelle stehen. Außerdem müssen wir darauf achten, dass die Bedingungen für die Erzieherinnen akzeptabel sind.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Beim Ausbau der Kinderbetreuung für unter Dreijährige sollte von Anfang an in Qualität investiert werden. Ich frage Sie: Wann gibt es hierfür bessere Chancen als jetzt? Aus diesen Gründen fordert die SPD-Fraktion, die Petition der Landesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)