Die einen besitzen Milliarden, die anderen besitzen nichts - ist das noch gerecht? Unter dem Motto „Die neue UmFAIRteilung - wieviel Gerechtigkeit braucht unsere Gesellschaft?“ diskutierten darüber vier Fachleute gestern Abend im Laatzener Erich-Kästner-Schulzentrum - unter ihnen die für Laatzen, Pattensen und Sehnde zuständige SPD-Landtagsabgeordnete Dr. Silke Lesemann. Eingeladen hatte das Landesbüro der Friedrich-Ebert-Stiftung Niedersachsen.

Los ging es mit einem kleinen Quiz. Wer die reichste Familie Deutschlands ist, wollte Moderator Klaus-Dieter Gleitze, Geschäftsführer der Landesarmutskonferenz, wissen. Das Publikum wusste es: Es ist die Familie Quandt, denen ein großer Teil des BMW-Konzerns gehört. Ihr Vermögen wird mittlerweile auf mehr als 30 Milliarden Euro geschätzt.

„Armut wird vererbt“, stellte Wilhelm Schmidt, Präsident des AWO Bundesverbandes und ehemaliger SPD-Bundestagsabgeordneter, zu Beginn seines Impulsreferates fest. Dabei habe man bereits vor 20 Jahren Armut definiert und bekämpfen wollen, doch noch immer entscheide die soziale Herkunft über den Bildungsweg, wodurch die Armut der Eltern an die Kinder vererbt werde. Hinzu kämen die Ungerechtigkeiten am Arbeitsmarkt und„ein unglaubliches Maß“ an Niedriglohn- und Teilzeitjobs sowie prekäre Selbstständigkeit. „Gerade auch soziale Arbeit ist schlecht bezahlt“, sagte Schmidt. Die AWO kämpfe deshalb seit Jahren für tarifliche Strukturen in diesem Bereich.

Die fehlende Tarifbindung für viele Jobs mit geringer Entlohnung identifizierte auch Dr. Anita Tiefensee von der Hans-Böckler-Stiftung als Armutsrisiko und Ungerechtigkeit. Sie wies darauf hin, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich bei den Einkommen weit geöffnet habe, aber im Besonderen bei den Vermögen. Ein großer Teil des Vermögens sei vererbt. „Die Ungleichheit bei der Verteilung der Einkommen bedroht das Wirtschaftswachstum“, so Tiefensee.

Bei ihren Recherchen zu den Eliten in Deutschland sei sie sogar mehrfach beleidigt worden, berichtete Julia Friedrichs, Autorin des Buchs „Wir Erben“. „Mir wurde gesagt, dass meine Eltern und ich versagt hätten und ich das Geld deshalb an Ausländer und Arme verteilen wolle“, so Friedrichs. Sie habe festgestellt, dass Eliten unter sich bleiben wollen, es gebe sogar Heiratsmärkte für sie. Sie schotteten sich regelrecht ab, ihre Führungsansprüche in Politik und Wirtschaft würden sie als selbstverständlich ansehen. „Wir dürfen keine feudalistische Gesellschaft werden“, warnte Friedrichs. Ziel müsse es vielmehr sein, dass sich Anstrengung wieder lohne. „Jeder soll sich wieder etwas aufbauen können“, so die Autorin. Um künftige Armut zu verhindern, brauche es eine gute frühkindliche Bildung und gebundene Ganztagsschulen.

Dafür habe die SPD-geführte Landesregierung sehr viel Geld in die Hand genommen, erklärte Dr. Silke Lesemann. „Wir haben heute viel mehr Ganztagsschulen als noch vor zehn Jahren“, betonte Lesemann. Die Bildungspolitik von Rot-Grün zeige insgesamt erste Erfolge: Das Deutsche Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) hätte der Bildungspolitik der Landesregierung ein gutes Zeugnis ausgestellt, berichtete Lesemann. „Wir müssen diesen Weg weiter gehen und noch stärker in gute Bildung investieren“. Derzeit sei der Bildungsweg stark von der sozialen Herkunft und vom Portmonee der Eltern abhängig - „das müssen wir entkoppeln“, sagte Lesemann. Deshalb habe Rot-Grün die Studiengebühren abgeschafft und investiere mehr Geld in die frühkindliche Bildung. „Dazu gehört auch die Dritte Kraft in den Kindertagesstätten“, sagte Lesemann. „Die gebührenfreie Bildung von der Krippe bis zum Meister, die Chancen der Digitalisierung und den weiteren Ausbau der Schulsozialarbeit, des Ganztags und der Sprachförderung werden wir weiter voranbringen.“

Am Ende der Diskussion waren sich die Fachleute und das Publikum, das mitdiskutieren konnte, einig: Es braucht mehr Solidarität in Form einer gerechteren Steuerpolitik mit einer höheren Besteuerung von Erbschaften und Vermögen, höheren Löhnen bei den unteren und mittleren Einkommen und eine gute Bildung. „Wir wissen eigentlich seit Jahren, welche Probleme es gibt - wir müssen sie nur endlich angehen“, sagte Friedrichs.