Für die einen bedeutet sie das ersehnte Ende der täglichen Lkw-„Lawinen“ direkt vor der Haustür, für die anderen bedeutet sie zerschnittene Landschaften und zerstückelte Flächen - die Rede ist von der geplanten B 65-Umgehungsstraße, über die gestern rund 100 Gäste auf Einladung der Sehnder SPD-Landtagsabgeordneten Dr. Silke Lesemann lebhaft diskutiert haben.

Schon vor der Dialogveranstaltung im Rittersaal des Gutshofs Rethmar, zu der Lesemann Daniela Behrens, die Staatssekretärin im Niedersächsischen Ministerium für Arbeit und Verkehr, eingeladen hatte, sei klar gewesen, dass es zwei Sichtweisen auf das Verkehrsprojekt gibt - und beide Seiten hätten ihre berechtigten Interessen, betonte Lesemann in ihren einleitenden Worten. „Mein Anliegen ist Transparenz und Bürgerbeteiligung. Der Bund hat sich für das Projekt entschieden, wir müssen jetzt schauen, wie wir damit umgehen“, sagte Lesemann, die mit ihrer Ratsfraktion gegen die Umgehung gestimmt hatte und die Veranstaltung moderierte.

Behrens erklärte den Gästen den Gesamtzusammenhang. Die Bundesregierung hatte den Bundesverkehrswegeplan 2030 im August beschlossen, auf dessen Grundlage der Bund den „Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen“ aufgestellt habe, der Projekte mit einem Investitionsvolumen von insgesamt mehr als 11,7 Milliarden Euro für Niedersachsen beinhalte. Das Entscheidende: Die Verlegung der B 65 von östlich Sende bis westlich Peine ist in diesen Plänen als sogenannter vordringlicher Bedarf eingestuft worden; die B 65-Ortsumgehung Ilten sei dagegen dem „weiteren Bedarf mit Planungsrecht“ zugeordnet worden. „Aufgrund der Vorgaben des Bundes besteht für das Land der Bundesauftrag, beide Projekte zu planen und zu realisieren - ob wir das wollen oder nicht“, betonte Behrens. Ihr Ministerium bzw. die Landesregierung hätten darauf gedrängt, die A 2 achtspurig auszubauen, was der Bund bisher ablehnt.

Doch trotz der Entscheidung des Bundes sei bei beiden Projekte nicht mit einem schnellen Baubeginn zu rechnen - im Gegenteil: Behrens geht nicht von einem Baubeginn vor 2030 aus. Insgesamt seien derzeit 61 Bundesstraßenprojekte mit einem Bauvolumen in Höhe von 1,1 Milliarden Euro in Planung, was Unmengen an Ressourcen verschlinge; das Land suche derzeit 100 Ingenieure. „Wir rechnen mit einem Planungsbeginn für beide Projekte in den Jahren 2019/2020“, so Behrens, die auch davon ausgeht, dass beide Maßnahmen gleichzeitig geplant werden, da sie so eng miteinander verknüpft sind. „Die Einbeziehung einer Ortsumgehung Ilten erlaubt es dann auch, gegebenenfalls großräumigere Varianten wie zum Beispiel ein Verlauf südlich von Sehnde und dem Mittellandkanal in den Blick zu nehmen“, so Behrens.

Die bisher im Bundesverkehrswegeplan ermittelte Linienführung sei nicht die endgültige Trassenführung, betonte die Staatssekretärin. Sie forderte die Gäste auf, sich in die Planungen einzumischen. Nach Planungsbeginn gebe es ein großes Zeitfenster (Planfeststellungsverfahren) für alle Bürger, um sich einzubringen. Die gesamte Planungsphase samt Raumordnungsverfahren werde fast zehn Jahre dauern. Behrens versprach den Gästen, bei einer großen Infoveranstaltung Ende 2018/ Anfang 2019 die erste Planung des Landes öffentlich vorzustellen und zu diskutieren.

Bevor es in die Fragerunde ging, hatte Behrens auch noch gute Nachrichten für Rethmar: Noch in diesem Sommer wird die Fahrbahn der B 65 zwischen Rethmar und Heimar sowie die Ortsdurchfahrten Rethmar und Evern erneuert. Beginn: Juni/ Juli, Dauer etwa zwei Monate, die Kosten betragen et 1,5 Millionen Euro. In der Durchfahrt Rethmar soll die Deck- und Binderschicht erneuert werden, in Evern die Deckschicht. Die Arbeiten in den Ortsdurchfahrten beschränken sich auf die Fahrbahn, eventuell komme es zu Gossenregulierungen. Der Damm im Bereich des Mittellandkanals müsse aufgrund der im Vorjahr aufgetretenen Schäden grundhaft erneuert werden. Alle Arbeiten werden voraussichtlich abschnittsweise unter Vollsperrung durchgeführt.

Doch zurück zur Umgehungsstraße. Der Bund setzt sich also am Ende durch, die Kommune hat nichts zu sagen - „ist das nicht das Ende der Demokratie?“, möchte ein Herr aus dem Publikum von der Staatssekretärin wissen. Sie wolle nicht den Bund verteidigen, sagte Behrens, aber der Bund habe 1000 Projekte in dem Bundesverkehrswegeplan und müsse mit 84 Millionen Einwohnern kommunizieren - da komme es zu Verwerfungen. Außerdem erinnerte die Staatssekretärin daran, dass der Bundesverkehrswegeplan vom Bundestag beschlossen sei. Das Parlament sei der oberste Gesetzgeber. Behrens appellierte an die Zuhörer, weiterhin über die Bundestagsabgeordneten Druck zu machen, damit es vielleicht doch noch zum Ausbau der A 2 komme.

Besonders die Bilmer sind verärgert und wütend, was in der Fragerunde schnell deutlich wurde. Sie befürchten die Zerschneidung ihrer Fläche und die Einschränkung ihrer Entwicklungsmöglichkeiten. Behrens betonte noch einmal, dass das Land mit der Bürgerbeteiligung viel eher anfangen werde als gesetzlich gefordert. Sie habe bereits mehrere Straßenbauprojekte erlebt, die ganz anders als geplant verliefen. „Jede Straßenplanung wird besser, wenn die Bürgerinnen und Bürger frühzeitig eingebunden sind - das Land setzt voll auf Dialog“, so Behrens.

Beendet wurde die Diskussion mit einer kleinen Überraschung: Jens Böker, Ortsbürgermeister aus der Nachbarschaft Mehrum, erinnerte daran, dass seine Kommune den Antrag auf die Umgehungsstraße im Jahr 2006 gestellt hatte. Es lohne also, sich für sein Anliegen einzusetzen, auch wenn es nicht immer gleich klappe, ermunterte Böker die Zuhörer im Saal. Damals musste der Autobahnverkehr wegen Baustellen regelmäßig durch die Ortschaft gelenkt werden, und die Mehrumer hatten genug davon. Heute sind diese Baustellen weg, Metrum bräuchte die Umgehung nicht mehr. Doch nun hat Sehnde das erfolgreiche Mehrumer Anliegen von damals geerbt - eine Erbschaft, über die sich die einen freuen, und die die anderen am liebsten schnell wieder loswerden möchten.

Zum Hintergrund - erste Projektdaten des Bundes:

1) B 65 - Verlegung östlich Sehnde bis westlich Peine

  • - zweistreifiger Neubau
  • - Länge rund 19,1 Kilometer
  • - Kosten etwa 66,1 Millionen Euro
  • - prognostizierte mittlere Verkehrsbelastung: 7000 Kfz/ 24 Stunden

2) B 65 - Ortsumgehung Ilten;

  • - zweistreifiger Neubau
  • - Länge rund 4 Kilometer
  • - Kosten etwa 12,2 Millionen Euro
  • - prognostizierte mittlere Verkehrsbelastung: 17.000 Kfz/ 24 Stunden