Was machen Dörfer, denen fast die gesamte Infrastruktur weggebrochen ist? Mit dieser Frage beschäftigten sich die SPD-Landtagsabgeordneten der Region Hannover im Rahmen ihrer diesjährigen Sommertour und besuchten auf Einladung der Sehnder SPD-Landtagsabgeordneten Dr. Silke Lesemann heute (Dienstag) die Ortschaft Bolzum. Mit dabei: der für Sehnde zuständige Bundestagsabgeordnete Dr. Matthias Miersch.

Bolzum stehe stellvertretend für unzählige Dörfer in Niedersachsen, die einen tiefgreifenden Infrastrukturwandel hinter sich haben, erklärte Lesemann, die gleichzeitig Ortsbürgermeisterin ist, den Parlamentariern bei einem kleinen Rundgang durch den Ort. „Bolzum hatte einen Bäcker, Schlachter, einen kleinen Supermarkt, eine Post, ein Haushaltswarengeschäft, eine Molkerei und mehrere Gaststätten – doch in den vergangenen Jahrzehnten hat ein Geschäft nach dem anderen geschlossen, zuletzt im Jahr 2012 die Bäckerei.“ Nachdem der Bäcker dicht gemacht hatte, sei vielen Einwohnern klar gewesen, dass man etwas unternehmen müsse, um die Grundversorgung aufrecht zu erhalten, auf die besonders ältere Menschen angewiesen sind. Die Idee: ein genossenschaftlich organisierter Dorfladen.

„Kurze Zeit später führten wir erste Gespräche mit dem Regionsdezernenten Axel Priebs und baten ihn um Unterstützung“, erklärte Mitinitiatorin Frauke Lehrke den Abgeordneten. Dann habe ein langer Weg begonnen: Informationsveranstaltungen, Gründungsversammlung, Sichtung eines geeigneten Gebäudes, Gewinnung weiterer Genossenschaftsmitglieder, um die notwendigen 75.000 Euro zusammenzubekommen, Sanierung des Gebäudes unter Mithilfe vieler Ehrenamtlicher, Kauf der Einrichtung – aber im April dieses Jahres war es dann soweit: der Dorfladen konnte eröffnen. Seitdem hat Bolzum wieder ein Lebensmittelgeschäft mit integriertem Café. „Der Tiefpunkt der Infrastruktur-Auflösung ist überwunden – das ist ein Neustart für das Dorf“, betonte Lesemann. Ihr mache es sehr viel Spaß, in dem Dorfladen einzukaufen. „Ich komme gern Freitagnachmittags hierher, trinke einen Kaffee und halte ein Schwätzchen – hier trifft man immer wen“, sagte Lesemann.

Wie der Laden betriebswirtschaftlich angelaufen ist, wollte Matthias Miersch wissen. „Wir sind im Grenzbereich zu den schwarzen Zahlen“, sagte Lehrke. Eine in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie habe schwarze Zahlen eigentlich erst für das kommende Jahr in Aussicht gestellt –aber man liege über den Umsatzerwartungen. Nun gelte es, die Kunden bei der Stange zu halten. „Wir müssen immer wieder alle daran erinnern, hier einzukaufen, damit sich der Laden dauerhaft trägt“, sagte Lehrke. Außerdem wolle man das das Angebot ausbauen, wenn Kapazität da ist. Einige, vor allem ältere, Einwohner hätten sich einen Liederservice gewünscht. Derzeit werde das Café-Angebot erweitert, von dem bereits Frühstücksgruppen und Geburtstagsrunden Gebrauch machen. „Wir müssen aber sehen, was mit dem vorhandenen Personal machbar ist – denn schon jetzt übernehmen Ehrenamtliche Aufgaben wie das Einräumen der Regale“, erklärte Lehrke.

Fest steht: Das Bolzumer Modell hat sich mittlerweile rumgesprochen – immer häufiger erhält Lehrke Anfragen aus anderen Regionen Niedersachsens, denen ebenfalls die Infrastruktur weggebrochen ist.

Besuch Dorfladen Sommertour 21 07 2015
Politikerbesuch im Dorfladen (von links) Dr. Matthias Miersch, Stefan Politze, Michael Höntsch, Dr. Thela Wernstedt, Mustafa Erkan, Olaf Kruse, Dr. Silke Lesemann und Marco Brunotte.