Das Interesse war groß: Rund 130 Zuhörer zog es gestern Abend (Donnerstag) zur Auftaktveranstaltung der Dialogreihe „Bildung.Zukunft.Niedersachsen“ der hannoverschen SPD-Landtagsabgeordneten in den Landtag. Die Politiker wollten mit ihrer Informationskampagne in den Dialog mit Experten und Interessierten über das neue Bildungschancengesetz treten.

Das Ziel: Möglichst viele Menschen in den Gestaltungsprozess einbeziehen. „Etwas in der Größenordnung unserer Zukunftsoffensive Bildung hat es in Niedersachsen bisher noch nicht gegeben“, sagte die SPD-Fraktionsvorsitzende Johanne Modder in ihrer Begrüßungsrede. Rund 420 Millionen Euro zusätzlich investiere die rot-grüne Landesregierung in den kommenden drei Jahren in die Bildung: Für einen verstärkten Inklusionsprozess, für mehr Integrierte Gesamtschulen, den Ausbau von Ganztagschulen und die Rückkehr zum Abitur nach 13 Jahren.

„Wir wollen das Bildungschancengesetz intensiv diskutieren, bevor der Landtag darüber im Juni abstimmt. Denn dieses Gesetz soll möglichst lange bestehen, damit die Schulen Planungssicherheit haben“, sagte der bildungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Stefan Politze. So habe der Dialogprozess zum neuen Gesetz bereits ergeben, dass Eltern und Pädagogen den Erhalt der Förderschulen Sprache und der Förderklassen Sprache an Grundschulen wünschen. Ergebnis: Diese Schulen haben Bestandsschutz, was im neuen Schulgesetz verankert werde. „Wenn Inklusion mehr Zeit braucht, dann wollen wir uns für diese große Aufgabe im Sinne der Schüler auch mehr Zeit nehmen“, sagte Politze. Insgesamt stelle die Landesregierung rund 1,3 Milliarden Euro bis 2018 für die Inklusion zur Verfügung, rund 1600 neue Lehrerstellen sollen geschaffen werden.

Politze erklärte, dass die Gymnasien ihren hohen Stellenwert behalten werden. „Die Integrierten Gesamtschulen aber auch. Niemandem wird eine Schulform aufgestülpt, die Wahl einer Schulform liegt ganz in den Händen des Schulträgers. Wir sorgen für eine Chancengleichheit zwischen den Schulformen“, betonte der schulpolitische Sprecher. Für die Hauptschulen sieht Politze dagegen keine Zukunft. „Hier haben Schüler und Eltern bereits mit ihren Füßen abgestimmt.“

Eberhard Brandt, Vorsitzender der GEW Niedersachsen, stellte den Plänen der Landesregierung ein gutes Zeugnis aus: „Der Gesetzentwurf beinhaltet viele unserer Positionen und Ziele – das ist ein gutes Gesetz zur richtigen Zeit“. Brandt kritisierte zugleich die Opposition aus CDU und FDP: „Die Gymnasien werden nicht abgeschafft. Das ist eine primitive Propaganda von Schwarz-Gelb.“

Reinhard Fricke, Vorsitzender des Verbandes für Sonderpädagogik in Niedersachsen, lobte den Entschluss der Landesregierung, die Förderschulen Sprache nicht zu schließen. „Schließungsdebatten sind immer mit Ängsten verbunden. Viele Förderschulen werden sich selbst auflösen und in Regelschulen überleiten“, sagte Fricke. Er sprach von einem guten Tag für die Inklusion: „Das ist ein gutes Signal für unser Bundesland.“ Der Prozess, dass Schüler mit Beeinträchtigungen in den normalen Regelunterricht integriert und somit wertgeschätzt werden, könne mit dem neuen Gesetz ein gutes Stück vorangebracht werden. Es könne das Leben vieler Menschen verbessern. „Ich bin sehr dankbar und glücklich, dass Rot-Grün die Inklusion auf ihre Agenda gesetzt hat, obwohl es dafür meist nicht den großen Beifall gibt“, sagte Fricke. Aufgabe sei es nun, die Inklusion klug zu steuern. „Wir müssen uns jetzt um die Frage kümmern, wie wir fachspezifisches Wissen in den Inklusionsprozess einbringen können“, betonte Fricke. Er lobte zudem die Möglichkeit des Dialogs, mit dem die rot-grüne Landesregierung den Prozess begleitet. „Wir fühlen uns ernst genommen.“ Diesen Eindruck teilten offenbar auch die 130 Gäste, die sich im Anschluss rege an der Diskussion mit den hannoverschen Parlamentariern beteiligten.