Die Hochschulen müssen demokratischer werden, das wissenschaftliche Personal braucht verlässliche Arbeitsverträge statt prekärer Beschäftigung: Zu diesem Ergebnis kamen die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion des Wissenschaftsforums der Sozialdemokratie zur geplanten Novellierung des niedersächsischen Hochschulgesetzes gestern Abend in den Räumen der SPD-Landtagsfraktion.

Moderatorin Dr. Silke Lesemann, wissenschaftspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, skizzierte zu Beginn Veranstaltung die bisherigen Erfolge der Landesregierung – die Abschaffung der Studiengebühren, die Ko-Finanzierung von 47.350 zusätzlichen Studienanfängerplätzen im Rahmen des Hochschulpakts 2020 und das Fachhochschulentwicklungsprogramm mit einem Volumen von mehr als 480 Mio. Euro – und wollte von den Podiumsteilnehmern wissen, welche Anforderungen sie an die Novellierung des Niedersächsischen Hochschulgesetzes stellen.

Dr. Andreas Keller, Leiter des Vorstandsbereichs Hochschule und Forschung der GEW, sieht „enormen Handlungsbedarf“, die Arbeitsbedingungen des wissenschaftlichen Personals zu verbessern. 90 Prozent des wissenschaftlichen Mittelbaus in Deutschland hätten mittlerweile Zeitverträge, davon die Hälfte eine Laufzeit von unter einem Jahr. Den Betroffenen bescheinigte Keller einen „langen, steinigen Karriereweg“, nicht selten stünden sie mit 40 Jahren vor dem Nichts. Hier könnten die Länder Land Abhilfe schaffen. Keller nannte als Beispiel Hamburg, wo eine Untergrenze für erste Arbeitsverträge von drei Jahren gesetzlich verankert worden sei. Keller appellierte an die Landespolitik, Mindeststandards analog zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns gesetzlich zu regeln. „Zielvereinbarungen ersetzen keine Gesetze“, betonte Keller. Als positives Beispiel nannte der Gewerkschafter außerdem Berlin und Bremen, wo man die Kategorie „wissenschaftliche Hilfskraft mit Abschluss“ abgeschafft habe, um Ausbeutung zu verhindern. Bei der Novellierung des Hochschulgesetzes müsse sich die Landesregierung an der Maxime „Gute Arbeit“ orientieren. Keller forderte die Schaffung von mehr festen Stellen, zur Finanzierung müsse man auch die Mittel aus dem Hochschulpakt sowie Drittmittel verwenden. Dies sei eine Voraussetzung für ein vorausschauendes Personalmanagement. „Das, was jeder Schraubenfabrik kann, schaffen die Hochschulen derzeit nicht: eine gute Personalentwicklung“, so Keller.

Silke Hansmann von den Juso-Hochschulgruppen forderte mehr Demokratie an den Hochschulen: „Die studentische Mitbestimmung muss endlich gestärkt werden“. Studierende sollten als gleichberechtigte Mitglieder Studium und Lehre an den Hochschulen mitgestalten, die studentische Mitbestimmung müsse in das neue Hochschulgesetz aufgenommen werden. „Diesen Mut muss die Landesregierung haben“, sagte Hansmann. Die Studentenvertreterin erteilte außerdem der unternehmerischen Hochschule eine Absage - Wissen sei schließlich keine Ware. Auch sie plädierte für „eine adäquate Grundfinanzierung der Hochschulen“. Temporäre Geldzuflüsse aus Exzellenzinitiativen könnten schnell versiegen – das habe auch die Göttinger Universität erfahren müssen, wo Hansmann studiert.

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Daniela de Ridder, Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, forderte verlässliche Arbeitsverträge für das wissenschaftliche Personal, mehr Geschlechtergerechtigkeit und eine bessere Qualitätssicherung in der Lehre. Zum einen gebe es zu viele Studienabbrecher, zum anderen werde sich nicht genügend um den wissenschaftlichen Nachwuchs gekümmert.

Dr. Silke Lesemann fasste die vier Eckpunkte zusammen, an denen sich die Landesregierung bei der Novellierung des Hochschulgesetzes orientieren müsse: Mehr Demokratie, Gute Arbeit, Geschlechtergerechtigkeit und eine gute Lehre.